Wyrm. Secret Evolution
Smartphones gemacht worden waren.
Bevor sie und die vielen anderen Zuschauer die Bilder genau identifizieren konnten, war plötzlich Applaus aufgebrandet, und dann war da die zierliche, schmale Gestalt aufgetaucht, verdreckt und vollkommen erschöpft wirkend. Als sie diese Szene zum ersten Mal gesehen hatte, hatte es ihr regelrecht den Atem verschlagen. Natürlich hatte sie genauso wie die meisten anderen Zuschauer gewusst, dass es sich dabei um eine der drei vermissten Jugendlichen handeln musste, und sie hatte genauso wie alle anderen angespannt darauf gewartet, dass man noch den vierten der Gruppe sowie einen fünfjährigen Jungen nach oben zog.
Das aber war nicht passiert. Den drei Geretteten hatte man sofort eine silberglänzende Folie umgelegt und sie in aller Eile zu den wartenden Krankenwagen geführt, und dann war die verwackelte Bildsequenz zu Ende gewesen. Kurz bevor ein Kommentator eingeblendet worden war, der all die Phrasen drosch, die in einer solchen Situation üblich waren, waren noch einmal die geretteten Jugendlichen im GroÃbild gezeigt worden.
Eine von ihnen war Maya gewesen.
Alina hatte sich das Geschwafel des Kommentators nicht angetan und die Wiedergabe meist schon unterbrochen, bevor der Quatschkopf seine Show abziehen konnte. Dadurch hatte sie höchstens ein-, zweimal die Bilder der Geretteten gesehen. Aber jetzt war sie sich nicht nur sicher, dass Maya zu ihnen gehörte, sondern dass es sich bei ihr auch noch um das Mädchen handelte, dass durch ihr heldenhaftes Verhalten die beiden anderen gerettet hatte.
Das war unglaublich.
Diese Sequenz hatte Alina sich immer wieder angesehen, fast schon zwanghaft ⦠weil sie bereits damals tief in sich den Wunsch verspürt hatte, sich die Verheerung durch die plötzlich aufgerissenen Eingeweide der Erde vor Ort anzusehen. Und jetzt, im Angesicht des Unglücksorts, explodierte dieser Wunsch zu einem unwiderstehlichen Verlangen.
Vielleicht konnte sie über das evakuierte Haus in das Sperrgebiet gelangen, an dem sie gerade vorbeilief. Auf der Stirnseite entdeckte Alina, dass ein winziges Fenster offen stand, gerade groà genug für eine Katze â oder vielleicht auch für sie. Wenn sie dort hineingelangen könnte â¦
Ein Schauer durchfuhr ihren Körper. Was genau hatte sie eigentlich vor?
Sie hätte es nicht zu sagen vermocht. Aber sie spürte den nicht mehr zu bändigen Drang, sich an den Polizisten vorbei in das Sperrgebiet zu schleichen. Und sie war davon überzeugt, dass sie dort dann auch wissen würde, was sie dort weiter tun wollte.
Sie war nur noch ausgefüllt von einem unwiderstehlichen Sog, dem sie sich selbst dann nicht hätte entziehen können, wenn sie mit aller Kraft dagegen angekämpft hätte.
*
»Ãbernimm du jetzt«, sagte Freddy zu seiner Kollegin, die mehr oder weniger unauffällig an einem Hauseingang lehnte, »ich werde mich mal um das andere Mädchen kümmern, das angeblich in den evakuierten Bereich eingedrungen ist.«
Sandra nickte. Sie war klein, schmächtig und sah von hinten mit ihrer langen blonden Mähne wie gerade mal sechzehn aus â von vorne allerdings wie vierzig. Ihr wahres Alter lag wohl irgendwo dazwischen. Der Polizeidienst hatte ihre ehemals weichen Züge verhärtet, aber das störte Freddy nicht. Er mochte Sandra.
»Gut, dann hänge ich mich an Alinas Fersen«, sagte Sandra. »Scheint der Juretzko ja mächtig wichtig zu sein, dass wir sie nicht aus den Augen verlieren.«
»Polizeidirektorin Juretzko ist alles wichtig, was ihrer Karriere dient«, sagte Freddy, der eigentlich Friedhelm Warrenstein hieà und schon seit sieben Jahren Zivilfahnder war â etwas, das seiner Karriere bestimmt nicht förderlich war.
»Meinst du, das könnte diese Maya sein?«
»Wer?«
»Na, dieses andere Mädchen, dem du hinterher willst«, antwortete Sandra ungeduldig.
»Dieses andere Mädchen ist eine Heldin«, sagte Freddy bedächtig. »Jedenfalls in meinen Augen. Obwohl sie gerade selbst erst der Hölle des zusammengebrochenen U-Bahnhofs entkommen ist, ist sie noch mal runter, um ihre Freunde zu retten.«
»Nico und Jana.« Sandra nickte. »Das Einzige, was ich von den beiden noch nicht kenne, ist ihre SchuhgröÃe. Alles andere haben die Medien ja breit genug getreten. Aber jetzt ab mir dir. Ich muss mich an Alina ranhängen â und
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