Xeelee 1: Das Floss
und betrat zögernd das Büro. »Wissenschaftler, ich bin’s. Pallis.«
»O Pilot. Ich glaube, ich habe Sie zurückkommen sehen. War die Reise erfolgreich?«
Pallis lächelte müde. »Ich fürchte nicht, Sir. Die Bergleute haben einige Probleme…«
»Haben wir die nicht alle?« knurrte Hollerbach. »Ich hoffe nur, daß wir die armen Kerle mit unseren Proviantlieferungen nicht vergiften. Also, Pallis, was kann ich für Sie tun – oh, bei den Boneys, ich weiß schon. Sie haben diesen verdammten Jungen mitgebracht, nicht wahr?« Er sah an Pallis vorbei, und sein Blick fiel auf die hagere, schlappe Gestalt von Gover. Hollerbach seufzte. »Du gehst besser zu Grye und kümmerst dich um deine üblichen Pflichten, Junge. Und um deine Studien. Vielleicht machen wir doch noch einen Wissenschaftler aus dir, he? Oder«, murmelte er, als Gover wegging, »ich schmeiße dich eigenhändig über den Rand des Floßes – was wahrscheinlicher ist. Ist das alles, Pallis?«
Der Baumpilot machte einen verlegenen Eindruck; er druckste herum, und sein Narbengewirr lief dunkelrot an. »Da ist noch etwas, Sir. Rees!«
Nun betrat ein anderer Junge das Büro. Er war dunkelhaarig und mager und trug die zerlumpten Überreste einer Arbeitskombination – und er blieb überrascht im Türrahmen stehen, die Augen auf den Boden geheftet.
»Komm her, Junge«, sagte Pallis in einem nicht unfreundlichen Ton. »Es ist nur ein Teppich; der beißt nicht.«
Der merkwürdige Junge schritt vorsichtig über den Teppich, bis er vor Hollerbachs Schreibtisch stand. Er hob den Blick – und wieder fiel ihm, offensichtlich geschockt, die Kinnlade herunter.
»Du liebe Güte, Pallis«, meinte Hollerbach, »wen haben Sie mir denn da angeschleppt? Hat er etwa noch nie einen Wissenschaftler gesehen?«
Pallis räusperte sich; er schien ein Lachen zu unterdrücken. »Ich glaube nicht, daß es daran liegt, Sir. Bei allem Respekt, ich vermute, der Junge hat noch nie einen so alten Menschen gesehen.«
Hollerbach öffnete den Mund – und schloß ihn wieder. Er sah sich den Jungen genauer an, bemerkte die Muskelpakete, die narbenbedeckten Hände und Arme. »Wo kommst du her, Junge?«
Rees sprach laut und prononciert: »Vom Gürtel.«
»Er ist ein blinder Passagier«, meinte Pallis entschuldigend. »Er ist mit mir hergekommen und…«
»Muß sofort wieder zurückgebracht werden.« Hollerbach lehnte sich zurück und verschränkte seine dünnen Arme. »Tut mir leid, Pallis; aber wir sind sowieso schon überbevölkert.«
»Das weiß ich, Sir, und ich will die Formalitäten jetzt über die Bühne bringen. Sobald ein Baum beladen ist, könnte er wieder weg sein.«
»Warum haben Sie ihn dann hergebracht?«
»Weil…« Pallis zögerte. »Hollerbach, er ist ein schlaues Köpfchen«, ergänzte er hastig. »Er kann… er kann Statusberichte von den Bussen abfragen…«
Hollerbach zuckte die Achseln. »Das bringt in jeder Schicht eine ganze Reihe aufgeweckter Kinder fertig.« Er schüttelte amüsiert den Kopf. »Du liebes bißchen, Pallis, Sie haben sich auch nicht verändert, nicht wahr? Erinnern Sie sich noch, wie Sie mir als Kind zerbrochene Skitters gebracht haben? Und ich mußte kleine Stifte aus Papier fabrizieren, um sie wieder zu reparieren. Das ist denen natürlich nicht sehr gut bekommen, aber wenigstens haben Sie sich danach besser gefühlt.«
Pallis’ Narben wurden dunkel vor Wut, und er versuchte, dem neugierigen Blick von Rees auszuweichen.
»Und nun bringen Sie mir diesen aufgeweckten jungen blinden Passagier ins Haus und erwarten von mir, daß ich ihn als meinen Chefassistenten anstelle?«
Pallis zuckte die Achseln. »Ich dachte, vielleicht solange, bis der Baum fertig ist…«
»Da haben Sie eben falsch gedacht. Ich bin ein vielbeschäftigter Mann, Baumpilot.«
Pallis wandte sich an den Jungen. »Sag ihm, warum du hier bist. Sag ihm, was du mir gesagt hast, auf dem Baum.«
Rees starrte Hollerbach an. »Ich habe den Gürtel verlassen, um herauszufinden, warum der Nebel stirbt«, sagte er einfach.
Wider Willen neugierig geworden, rutschte der Wissenschaftler auf seinem Stuhl nach vorne. »Ach ja? Wir wissen selbst, warum er stirbt. Zu wenig Wasserstoff. Das liegt doch klar auf der Hand. Was wir aber nicht wissen, ist, was wir dagegen tun sollen.«
Rees musterte ihn, und es war ihm anzusehen, daß er über Hollerbachs Worte nachdachte. Dann fragte er: »Was ist Wasserstoff?«
Hollerbach trommelte mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte herum
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