Xeelee 1: Das Floss
seine besten Piloten brauchen, um die Formation über die ganze Strecke bis zum Gürtel aufrecht zu erhalten… Namen und Gesichter gingen ihm durch den Kopf…
Und Decker grinste ihn an. Verärgert runzelte Pallis die Stirn. Alles, was ein Mann wie Decker tun mußte, war, ihn mit einem interessanten Problem zu ködern; mit dem Rest hatte er dann nichts mehr zu tun.
Decker drehte sich um, um die Aktivitäten seiner Co-Revolutionäre zu beobachten.
Der junge Offizier befand sich bereits einen guten Meter hinter der Glaswand. Tränen vermischten sich mit dem geronnenen Blut auf seinen Wangen, und Pallis bemerkte, wie sich die Blase des Delinquenten entleerte. Der auf seiner Hose erscheinende Fleck ließ den Mob vor Lachen aufbrüllen.
»Decker…«
»Ich kann ihn nicht retten«, sagte Decker unbeirrbar. »Er will seine Rangabzeichen nicht entfernen.«
»Spricht für ihn.«
»Er ist ein selbstmörderischer Idiot.«
Da löste sich eine Gestalt aus dem Haufen der kauernden Wissenschaftler. Es war ein junger, dunkelhaariger Mann. Er rief »Nein« und stürzte sich mit einem Wirbel seiner narbigen Fäuste von hinten auf die Menge. Der Wissenschaftler verschwand bald unter einem Hagel aus Fäusten und Stiefeln; schließlich wurde auch er, blutig und mit zerrissener Kleidung, auf den Träger gestoßen. Und trotz der frischen Quetschungen, des Schmutzes und des Bartwuchses erkannte Pallis urplötzlich den ungestümen jungen Mann.
»Rees«, keuchte er.
Als Rees auf die nach oben starrenden Gesichter sah, spürte er seinen von den Schlägen schmerzenden Kopf. Über die Köpfe der Menge hinweg konnte er die kleine Schar der Wissenschaftler und Offiziere sehen, die so dicht zusammengedrängt waren, daß sie nicht einmal seinen Tod hätten mitansehen können.
Der Offizier beugte sich vor und schrie durch den Lärm: »Ich habe dir zu danken, Minenratte!«
»Keine Ursache, Doav. Ich bin wohl noch nicht so weit, daß ich einen Mann allein sterben sehen kann. Nicht mal dich.«
Jetzt brandeten Fäuste und Knüppel auf sie zu. Rees machte einen vorsichtigen Schritt zurück. War er so weit gereist, hatte er so viel gelernt… nur um jetzt so zu enden?
… Er dachte an die Zeit der Revolution zurück, an den Moment, als er Gover außerhalb der Brücke gegenübergestanden hatte. Als er inmitten der Wissenschaftler gesessen und damit deutlich gemacht hatte, auf welcher Seite er stand, hatte Gover auf das Deck gespuckt und ihm den Rücken zugewandt.
»Du verdammter blöder Grünschnabel. Was, zum Teufel, glaubst du wohl, was du da tust?« hatte Hollerbach gezischt. »Es geht nur ums Überleben… Wenn wir die Arbeit nicht wieder aufnehmen, können wir gleich nach jeder Schicht eine Revolution anzetteln.«
Rees schüttelte den Kopf. Was Hollerbach gesagt hatte, klang wohl logisch – aber es gab sicher noch Wichtigeres als das reine Überleben. Vielleicht würde er die Dinge jedoch auch anders sehen, wenn er erst einmal so alt war wie Hollerbach…
Während der Schichtarbeit hatte er permanent zu wenig Nahrung, Wasser und Schlaf gehabt und mußte fast ständig im Freien leben, wo er mit primitivsten Hilfsmitteln niedere Wartungsarbeiten auf dem Deck zu verrichten hatte. Er hatte die ständigen Demütigungen ruhig hingenommen und darauf gewartet, daß diese düstere Zeit auf dem Floß einmal zu Ende gehen würde.
Doch die Revolution war nicht niedergeschlagen worden. Zumindest seine Gruppe war hierher gebracht worden; er vermutete, daß einige oder alle von ihnen jetzt für eine neue Gerichtsverhandlung selektiert worden waren. Er war darauf vorbereitet, sein Schicksal zu akzeptieren…
… bis der Anblick des einsam sterbenden jungen Offiziers seine mühsam aufrechterhaltene Geduld überstrapaziert hatte.
Doav wirkte jetzt ruhig und gefaßt und beantwortete Rees’ Blick mit einem Nicken. Rees streckte eine Hand aus, die der Offizier fest ergriff.
Die beiden wandten sich dem Mob zu.
Mittlerweile waren einige junge Männer unter Anfeuerungsrufen ihrer Kumpane auf den Balken geklettert. Rees wehrte ihre Knüppel mit dem Unterarm ab, mußte sich aber trotzdem Zentimeter für Zentimeter zurückziehen.
Unter seinem bloßen Fuß spürte er eine metallische Kante, die Kühle des Abgrunds.
Doch da schob sich jemand durch die Menge.
Pallis war Decker durch den Pöbel gefolgt und registrierte mit gewisser Belustigung die Ehrerbietung, die man dem großen Mann entgegenbrachte. »Haben wir jetzt also zwei Helden, eh?« höhnte
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