Xeelee 3: Ring
Mund war zusammengepreßt und von Fältchen umgeben. »Morrow, wir können es uns nicht mehr leisten, ›sie in Ruhe zu lassen‹. Das Universum draußen – wir – wirken darauf ein, was hier drinnen geschieht. Und wir verfügen über Beweise, von unseren Computern, daß die Planer nicht… äh… nicht richtig auf diese Veränderungen reagieren.
Morrow, hier auf den Decks leben zweitausend Leute. Nur ein paar von uns sind draußen – nur wenige hundert, und dazu zählt sogar noch der Wald auf Deck Null. Wir können es uns nicht leisten, diese zweitausend den durchgeknallten Planern zu überlassen.«
Morrow hörte, wie seine Zähne mahlten. »Sie sprechen also von Pflicht.«
Louise hatte ihn studiert. »Ja. In gewisser Weise. Aber die fundamentalste Pflicht überhaupt: Weder mir gegenüber, noch gegenüber den Planern und nicht einmal hinsichtlich der Mission des Schiffes. Es ist eine Pflicht gegenüber der Spezies. Wenn die Spezies überleben soll, dann müssen wir die Leute beschützen, die dort drinnen bei den Planern gefangen sind – so viele wie möglich, um die genetische Diversifikation für die Zukunft zu gewährleisten.«
»Beschützen«, sagte er düster. »Lustig. Das ist womöglich genau das, was auch die Planer für sich in Anspruch nehmen…«
Er überflog gerade die verlassenen Häuser in ihren surrealen Reihen, die in seiner Wahrnehmung nun nicht mehr auf einem Boden standen, sondern an einer senkrechten Wand zu hängen schienen; er lauschte dem Schweigen, das nur von dem wimmernden Heulen der Sirene durchbrochen wurde. Alle Menschen waren weg – wahrscheinlich von den Planern in die Tempel deportiert worden – und hatten nur diese Hülle einer Welt zurückgelassen; und nun schienen sich die Elemente dieses deprimierenden Ortes um ihn herum zu bewegen und bedrängten ihn wie Versatzstücke eines Alptraums…
Vielleicht war es gerade die Vertrautheit des Platzes, die ihm solches Unbehagen verursachte. Als er hierher zurückgekommen war – nach all diesen Jahrzehnten –, hatte er den Eindruck bekommen, nie weg gewesen zu sein; die metallverkleideten Wände und die Decke, die Reihen der kistenförmigen Häuser und die dräuenden dreiseitigen Pyramiden der Planer erhoben sich dicht vor ihm und bedrückten ihn erneut. Es war, als ob das riesige, erstaunliche Universum hinter diesen Wänden – mit kollabierenden Sternen, Eismonden und magischen Fremdraumschiffen mit hundert Meter breiten Flügeln – niemals existiert hätte, als ob das alles nur eine bizarre, über fünfzig Jahre kultivierte Phantasievorstellung gewesen wäre.
In den alten Zeiten, vor seiner ersten Begegnung mit Pfeilmacher und Seilspinnerin, hatte er sich selbst als eine Art Rebell betrachtet. Ein Freigeist; ein Renegat – nicht wie die anderen Drohnen in seiner Umgebung. Aber die Wahrheit sah natürlich anders aus. Seit Jahrhunderten hatte die Kultur der Planer ihn auf Unterwürfigkeit abgerichtet. Wenn nicht der Einfall der Waldmenschen stattgefunden hätte – ein Ereignis aus der Außenwelt –, würde er nie den Mut oder die Initiative aufgebracht haben, die Vorherrschaft der Planer abzuschütteln.
Vielmehr realisierte er jetzt, daß er unabhängig von dem, was er in Zukunft tat oder wohin er ging – und gleichgültig, wie dieser Konflikt mit den Planern ausging –, diese Unterdrückung niemals würde abschütteln können.
Nun erreichte er das Ende des Seils. Er ließ sich ein Stück vom Deck wegtreiben und schwang sich dann etwa einen Meter weit durch die Luft zum nächsten Seil, das Froschfängerin befestigt hatte. Er schaute sich wieder um; die kleine Reisegesellschaft war an der Seilkette aufgereiht, die sich von den oberen Decks bis zur Rampe erstreckte.
Er spürte einen Luftzug über dem Kopf, ein sirrendes, zischendes Geräusch.
Instinktiv duckte er sich und preßte den Körper flach auf das Deck; wütend stieß er sich von der geriffelten Oberfläche ab, packte die Kanten der Decksplatten und machte weiter.
Das Geräusch hatte wie das Summen eines Insekts geklungen. Aber es gab nur sehr wenige Insekten auf den Decks…
Ein weiteres Zischen, ein rauschender Luftzug über ihm. Und er war aus der Richtung des Tempels gekommen, der – er schaute vorsichtig auf – noch immer hundert Meter entfernt war. Noch ein Flüstern über ihm – und noch eins, und dann eine ganze Salve.
Hinter ihm schrie jemand auf, und er hörte, wie Metall klappernd auf das Deck fiel.
Froschfängerin kletterte am Seil wieder zu
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