Xeelee 3: Ring
Menschen wußten, daß sie nicht allein hier unten waren – sie waren ein Teil des Systems…«
Nun war die Terraformung kollabiert. Titan befand sich wieder in seinem Originalzustand. Es hatte den Anschein, als ob nie ein Mensch die Oberfläche des Mondes betreten hätte.
»Es hatte hier eine Stadt gegeben, Seilspinnerin. Port Cassini. Große, glitzernde Kavernen im Eis; Iglus auf der Oberfläche… Mindestens einhunderttausend Menschen.
Mark wurde hier geboren. Wußtest du das?« Sie schaute sich düster um. »Und soweit ich mich erinnern kann, hatte hier sein Elternhaus gestanden…«
Sie versuchte sich vorzustellen, was für ein Gefühl es gewesen sein mußte, hier zu stehen, als die letzten Verteidigungsstellungen um Titan fielen und der Angriff der Xeelee begann. Die Strahlen der Sternenhämmer – kirschrote, geometrische Abstraktionen – brannten sich durch den Kohlenwasserstoffsmog, ausgesandt von den weit über der Oberfläche stehenden Nightfightern. Methanmeere verdampften in Sekunden – und das alte Wassereis des Mantels wurde zum erstenmal seit Milliarden Jahren wieder flüssig…
»Louise? Bist du jetzt bereit, nach Hause zu gehen?«
»Nach Hause?« Louise richtete den Blick auf den verborgenen Himmel und ließ den urzeitliche Polymerschnee auf ihr Helmvisier rieseln; einen Augenblick lang wurde sie von alten und salzigen Tränen geblendet. »Ja. Laß uns nach Hause gehen, Seilspinnerin.«
»Heliumblitz«, sagte Mark.
Uvarov hatte vor sich hingedöst; wie üblich wurden seine Träume von Vögeln dominiert: Häßliche Aasfresser mit großen schwarzen Schwingen, die in eine gelbe Sonne eintauchten. Als Mark sprach, implodierten die Träume und ließen ihn wieder einmal blind und hilflos in seinem Rollstuhl zurück. Er spürte ein schwaches Kältegefühl im rechten Arm: Der Stuhl versorgte ihn erneut mit Nahrungsmittelkonzentraten.
Mjam, dachte er. Frühstück.
»Mark«, flüsterte er.
»Geht es Ihnen gut?«
»Nach Ihrer überschwenglichen Fragerei noch mal so gut, Sie – Konstrukt.« Das Sprechen verursachte ihm große Schwierigkeiten, und er mußte seine bleierne Müdigkeit unterdrücken. »Wenn Sie so besorgt sind wegen meiner Gesundheit, loggen Sie sich doch in die Diagnosesysteme meines Stuhls ein und sehen selbst nach. Also. Was haben Sie eben gesagt? Und was, zum Geier, bedeutet…«
»Heliumblitz«, wiederholte Mark.
Uvarov kam sich alt und dumm vor; er versuchte, seine zerstreuten Gedanken zu ordnen.
»Wir haben von Lieserl gehört. Uvarov, die Vögel beschleunigen auch weiterhin die Entwicklung der Sonne.« Mark zögerte; sein Tonfall wurde monoton und signalisierte Uvarov, daß er nicht mehr bei der Sache war. »Ich habe Lieserls Beobachtungen mit ein paar eigenen Extrapolationen kombiniert. Ich glaube, daß wir jetzt sagen können, was als nächstes geschieht… Uvarov, ich wünschte, daß ich es Ihnen zeigen könnte. In Bildern – eine virtuelle Simulation –, es wäre ganz einfach.«
»Nun, das können Sie aber nicht«, meinte Uvarov säuerlich und ruckte den Kopf nach beiden Seiten. »Tut mir leid, daß ich solche Umstände mache. Sie müssen nur noch ein paar Prozessorbänke aktivieren, die Darstellung verstärken und mir dann berichten. Ja?«
»Uvarov, die Sonne stirbt.«
Schon seit Jahrmillionen hatten die Photino-Vögel den Wasserstoff-Fusionskern der Sonne angezapft. Jeder Schluck Energie, den sich Lieserls Vögel genehmigten, hatte die Temperatur des Kerns unmerklich reduziert.
Schließlich, nach Milliarden dieser Interaktionen, war die Kerntemperatur so weit abgesunken, daß keine Wasserstoffusion mehr stattfinden konnte. Der Kern hatte sich in eine tote und schrumpfende Heliumkugel verwandelt. In der Zwischenzeit hatte sich eine Schale aus fusionierendem Wasserstoff einen Weg aus der Sonne herausgebrannt und einen Regen aus Heliumasche auf den Kern abgeladen.
»Der träge Kern wurde ständig massiver – er schrumpfte und heizte sich auf. Schließlich degenerierte das Helium in dem kollabierenden Kern – es verlor die Eigenschaften eines Gases, weil…«
»Ich kenne den Begriff der degenerierten Materie.«
»Gut. Aber Sie müssen wissen, warum es wichtig ist, den nächsten Schritt zu begreifen. Uvarov, wenn man degenerierte Materie erwärmt, expandiert sie nämlich nicht, wie das bei einem Gas der Fall ist… Degenerierte Materie ist eben kein Gas; sie unterliegt daher nicht den einschlägigen Gesetzen.«
»Also haben wir diesen degenerierten, toten
Weitere Kostenlose Bücher