Xeelee 3: Ring
Neutronenstern zustrebten.
Und dahinter, in einem unglaublichen Winkel zu dem Gas-Torus, stand ein Sternenbogen.
Dieser Neutronenstern bewegte sich mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit: Er stürzte fast mit Lichtgeschwindigkeit durch das All. Infolge der hohen Geschwindigkeit waren der Neutronenstern und sein System die einzigen sichtbaren Objekte in Lieserls Universum. Der gesamte Rest – die blauverschobenen Galaxien, die in der Nähe stehende Wand aus kosmischen Strings – war in diesem bleichen Sternenbogen komprimiert, ein Band aus Licht, das die Umlaufbahn des Sterns säumte. Und von dem Sternenbogen abgesehen gab es sonst nur Dunkelheit.
Uvarov neigte den Kopf, und die Innenbeleuchtung des Beiboots warf Schatten auf seine implodierten Augenhöhlen. »Sag mir, was du siehst«, zischte er.
»Ich sehe einen Neutronenstern«, antwortete Mark. »Ein durchschnittliches Exemplar seiner Art. Mit einem Durchmesser von nur sechzehn Kilometern, aber mit einer Masse, die fast der von Sol entspricht… Das einzig Ungewöhnliche an diesem Stern ist indessen die Tatsache, daß er einen Begleiter hat, der ein normaler Stern ist – war.«
Vor Mark materialisierte glitzernd ein virtuelles Diorama des Neutronenstern-Systems; die Kugeln des Neutronensterns und seines Satelliten wurden mit einem Netz von Falschfarben überzogen, das – wie Lieserl vermutete – Gravitationsgradienten darstellte, magnetische Flußlinien und andere Parameter. Texteinblendungen und Hilfsgrafiken drifteten neben den glühenden Objekten in der Luft.
»Früher«, erläuterte Mark, »hatte es sich bei diesen Sternen um einen Doppelstern gehandelt – und zwar um einen spektakulären, weil der Neutronenstern nämlich ein strahlender Superriese gewesen sein muß. Irgendwie hat sein Begleiter die Supernova-Explosion des Riesen überlebt. Aber das Überbleibsel dieser Explosion – der Neutronenstern – bringt seinen Satelliten auf genau dieselbe Art um.« Er zeigte mit dem Finger. »Die Gravitationsquelle des Neutronensterns entzieht dem Begleiter Materie… Schau hin, Lieserl; diese filigran wirkenden Rauchsäulen könnten Jupiter verschlucken. Ein Teil der vom Satelliten abgegebenen Materie stürzt in den Neutronenstern selbst. Und während sich dessen Masse dadurch erhöht, wird seine Rotation unregelmäßig – der Neutronenstern muß wohl in regelmäßigen Abständen von Sternenbeben heimgesucht werden. Das restliche Gas treibt ab und lagert sich an dem Ring ab, in dem wir uns befinden und der den Neutronenstern umkreist.«
»Glaubst du, daß die Vögel für die Supernova-Explosion verantwortlich waren, Mark?« fragte Lieserl.
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Dazu ist das System zu stabil… Ich glaube vielmehr, daß die Explosion schon stattgefunden hat, lange bevor die Vögel auf das System aufmerksam wurden.«
»Und der Begleiter?«
Er lächelte und schaute zu dem komplexen Himmel hoch. »Lieserl, das ist ein Stern, den die Vögel nicht töten müssen. Der Neutronenstern selbst nimmt ihnen diese Arbeit nämlich ab.«
Die Virtuelldarstellung des Neutronensterns vergrößerte sich vor seinem Gesicht und verdrängte den Satelliten sowie die anderen Merkmale aus dem Diorama. Mark betrachtete einen komplexen Knoten aus Licht, der sich an einer Stelle befand, die einer der Magnetpole des Sterns zu sein schien.
Lieserl wandte den Blick ab. Der Planet war jetzt nicht mehr weit entfernt; langsam verwandelte er sich von einer im Leerraum aufgehängten Felskugel in eine Landschaft – öde, düster, von Rissen durchzogen.
»Was ist mit den Planeten?« fragte Lieserl. »Wie haben sie die Supernova überstehen können?«
»Ich vermute, daß sie überhaupt nicht davon betroffen waren«, erwiderte Mark, der noch immer auf den Pol des Sterns starrte. »Ich glaube, daß sie erst nach der Explosion entstanden sind: Zusammenballungen aus der Materie des Gasrings und Trümmern der Explosion selbst – vielleicht von dem früheren Planetensystem, falls es überhaupt eins gegeben hat… Lieserl. Teufel. Schau dir das mal an!«
»Was?«
Die Virtuelldarstellung des Neutronensterns kam durch die Kabine auf sie zu; der kleine Lichtknoten rammte ihr Gesicht. Lieserl zuckte zusammen, schaute aber mutig auf das glühende, komplexe Bild.
Mark grinste, und seine Stimme vibrierte vor Aufregung. »Siehst du es?«
»Ja, Mark«, entgegnete sie geduldig, »aber du mußt mir schon sagen, was ich sehe.«
»Es liegt eine größere Störung der
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