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Xeelee 3: Ring

Xeelee 3: Ring

Titel: Xeelee 3: Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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hatte – funkelten, während sie langsam über grünblaue Ozeane hinwegflogen. Der Planet selbst war an Land und zur See von Lichtern überzogen. In der dünnen Atmosphäre über dem Nordpol konnte Louise eben noch das dunkelrote Glühen eines riesigen Radiatorstrahls ausmachen, eines zu Kühlzwecken installierten Diffusionslasers, der einen Teil der irdischen Abwärme in die endlosen Weiten des Weltraums abstrahlte.
    Louise fühlte, wie sich ein absurder, sentimentaler Kloß in ihrem Hals bildete, als sie den sich langsam drehenden Planeten betrachtete. In Momenten wie diesen war sie immer versucht, sich zu schwören, mehr Zeit hier zu verbringen, im lebendigen Herzen des Systems anstatt in seinen desolaten Randgebieten.
    Aber dann rief sie sich unwirsch ins Gedächtnis, daß es eben die Peripherie war, wo die Northern gebaut wurde.
    Louise hatte Arbeit zu erledigen. Sie war damit befaßt, ein Raumschiff auszurüsten, verdammt. Sie hatte weder die Zeit noch die Energie, einen Abstecher zur Erde zu machen, nur um Ratespiele mit einer unbekannten Behörde zu veranstalten.
    Mit einem subvokalen Grollen legte Louise den Kopf auf die Sitzbank und versuchte zu schlafen. Mark, geduldig und ruhig, rief eine neue Seite auf seinem Notebook auf.

    Das kleine Schiff landete in Nordamerika, kaum dreizehn Stunden nach dem Abflug von Port Sol – eine Distanz von zehn Milliarden Kilometern. Das Raumboot brachte sie zu einem kleinen Landeplatz in der Nähe des Zentrums von Central Park, New York City. Louise sah zwei Personen – einen Mann und eine Frau, die über das saftige Gras auf den Stellplatz zukamen. Der Autopilot des Gleiters wies sie an, sich zu einem kleinen, anonym-grauen Gebäude am Rande des Landeplatzes zu begeben.
    Louise und Mark traten in den Sonnenschein eines Frühlings in New York. Louise sah die Dächer von großen, alten Wolkenkratzern am Rande des Parks, zwischen denen Gleiter hindurchflitzten. Nicht weit entfernt, abgeschirmt von den Bäumen im Mittelpunkt des Parks, erspähte sie eine der Kohlenstoffproduktions-Kuppeln der Stadt. Die Kuppel umschloß eine vierhundert Meter durchmessende Kugel aus Trockeneis: Dieses Abscheidungsverfahren war einst von Suprahet entwickelt worden, wobei jede Kuppel fünfzig Millionen Tonnen gefrorenes, der Atmosphäre entzogenes Kohlendioxid enthielt; eine zwei Meter dicke Schicht aus Steinwolle diente dabei als Katalysator.
    Mark erhob das Gesicht zur Sonne und atmete tief ein. »Mmm. Kirschblüten und frisch gemähtes Gras. Ich liebe diesen Geruch.«
    Louise schnaubte. »Wirklich? Ich wußte gar nicht, daß es auf Titan auch Kirschbäume gibt.«
    »Wir haben Gewächshäuser«, erwiderte er. »Und überhaupt darf jeder Mensch an einem Frühlingstag in New York mal sentimental sein. Schau dir nur diese Wolken an, Louise. Sind sie nicht wundervoll?«
    Sie blickte nach oben. Der Himmel wurde von hohen, flockigen, dunklen Wolken durchsetzt. Und über den Wolken erkannte sie kriechende Lichtpunkte: die Habitate und Fabriken im erdnahen Raum. Es war ein schöner Anblick – aber, wie sie auch wußte, nur künstlich. Selbst die Wolken waren bloß Staffage: sie waren mit speziellen Substanzen angereichert worden, um das Wachstum der in ihnen enthaltenen Wassertropfen zu begrenzen. Kleinere Tropfen reflektierten mehr Sonnenlicht als größere und machten die halbdurchlässigen Wolken dadurch zu einem wirkungsvollen Schutzschild gegen übermäßige Sonneneinstrahlung.
    Soviel zur Sentimentalität. Alles war künstlich.
    Louise senkte den Kopf. Wie bei jeder Rückkehr zur Erde fühlte sie sich durch den offenen Himmel über ihr desorientiert – er schien jeglichen Glauben daran zu widerlegen, daß eine dünne Schicht aus blauer Luft sie ausreichend vor den Widrigkeiten des Weltraums schützen konnte.
    »Komm schon«, sagte sie zu Mark. »Wir haben noch etwas vor.«
    Sie folgten den Anweisungen des Autopiloten und näherten sich dem Gebäude. Es war aus Ziegelsteinen gemauert und etwa drei Meter hoch; in der Mitte der Mauer befand sich ein niedriger Eingang.
    Als sie auf das Haus zugingen, kamen die zwei Leute, die Louise schon aus der Luft registriert hatte, von der Rückseite des Gebäudes langsam auf sie zu.
    Die beiden Parteien musterten sich neugierig.
    Der Mann trat mit auf dem Rücken verschränkten Händen einen Schritt vor. Er war dünn und groß, etwa fünfzig Jahre, mit einem bleichen Kopf, der bis auf einen weißen Haarkranz kahl war. Er starrte Louise unverhohlen an.

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