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Xeelee 3: Ring

Xeelee 3: Ring

Titel: Xeelee 3: Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Mark Wu. Die Projektion war schwach: Der Virtuelle schwebte einige Zentimeter über dem Deck und warf nicht einmal einen Schatten im blassen Licht von Neptun.
    »Bei allen Teufeln der Hölle«, meinte Louise, »mach das nicht noch mal. Du hast mich erschreckt.«
    »Tut mir leid«, sagte Mark. Louise fiel auf, daß selbst seine Stimme heiser und abgehackt war. »Es war dringend. Ich mußte dich stören. Ich…«
    »Und diese Projektion ist lausig. Was ist los mit dir?« Louise fühlte, wie ihr Verstand sich gemütlich in einem seiner vertrauten Modi einrichtete – was Mark immer als ihr analytisches Meckern bezeichnete. Sie wäre dann in der Lage, einen Großteil ihrer unausgefüllten Tage damit zu verbringen, den Prozessor zu vernehmen und sich Details dieser Präsentation von Mark vorführen zu lassen. »Du schwebst sogar über dem Deck, verdammt. Es sollte mich nicht wundern, wenn du als nächstes noch die Illusion der Solidität verlierst. Und…«
    »Louise. Ich sagte, daß es dringend ist.«
    Sie merkte, wie ihre Stimme abbrach und die Konzentration schwand.
    Mark ging auf sie zu, und die Darstellung seines Gesichts verstärkte sich merklich, wurde voller und nahm die blauviolette Tönung des Neptunlichts an. Die Prozessoren, die Mark abbildeten, versuchten ihr offensichtlich bei dieser Interaktion zu helfen. Aber der Rest seines Körpers war nach wie vor kaum mehr als eine dreidimensionale Skizze – ein Indiz dafür, daß er den größten Teil der verfügbaren Videokapazität einer anderen Priorität widmete. »Louise«, sagte Mark mit leiser, aber nachdrücklicher Stimme. »Etwas ist geschehen. Etwas hat sich verändert.«
    »Verändert?« Nichts hat sich verändert – jedenfalls nicht signifikant – seit fast eintausend Jahren…
    Mark lächelte. »Mach den Mund zu. Es zieht.«
    Sie schluckte. »Es tut mir leid. Ich glaube, daß du mir damit etwas Zeit lassen mußt.«
    »Ich werde das Diorama abstellen.«
    Sie schaute mit unbegründeter Panik zu dem entfernten Antlitz von Neptun auf. »Weshalb?«
    »Es ist etwas geschehen, Louise…«
    »Das hast du schon gesagt.«
    »Die Lebenskuppel.« Sein Blick heftete sich auf sie.
    Sie fühlte sich wie in Trance, leicht, fast entrückt, und sie fragte sich, ob die in ihrem verkrampften Körper arbeitenden Nanobots ihr irgendein subtiles Beruhigungsmittel verabreichten. »Sag’s mir.«
    »Jemand versucht, eines der Schotts in der Basis der Lebenskuppel zu öffnen.« Marks Augen blickten intensiv und forschend. »Verstehst du, Louise? Kannst du hören, was ich sage?«
    »Natürlich kann ich«, erwiderte sie heftig.
    Nach fünfhundert Jahren ohne Kontakt verließ jemand die Lebenskuppel. Sie versuchte die Implikationen von Marks Aussage zu erfassen, sie sich vorzustellen. Jemand näherte sich.
    »Stell die Projektion ab«, sagte sie erschöpft zu Mark. »Ich bin soweit.«
    Neptun kollabierte plötzlich wie ein geplatzter Ballon; Triton zerfiel in eine Milliarde verblassender Bildpunkte, und das Licht der Sonne erlosch flackernd. Für einen Moment gab es nur die Great Britain; die unwiderlegliche Realität von Brunels altem Schiff stand als irrealer Kontrast im Zentrum dieser grauen Unendlichkeit, dem Fehlen jeglicher Gestalt. Mark stand vor ihr auf dem abgenutzten Deck, wobei sein überauthentisches Gesicht beruhigend auf das ihre gerichtet war. Dann kehrte das Universum zurück.

    Pfeilmacher fiel aus der Welt hinaus.
    Er saß in dem Fahrzeug – dieser Fähre, wie Uvarov es genannt hatte –, wobei er Bogen und Köcher ordentlich auf den Sitz neben sich gelegt hatte. Die bloßen Beine baumelten über die weiche Kante seines Sitzes. Vor ihm stand eine simple Steuerkonsole, gerade noch in seiner Reichweite.
    Die Wand des Bootes war transparent und machte die zylindrische Hülle fast unsichtbar. Die Fähre war ein Nichts, sie bot weniger Schutz als ein verschwommener Traum; die vier Sitze, mit Pfeilmacher und seinem deplaziert wirkenden, nutzlosen Bogen, schienen haltlos durch die Luft zu fliegen.
    Uvarov hatte ihn auf das Boot aufmerksam gemacht. Pfeilmacher war kaum imstande gewesen, es zu erkennen – eine Kiste durchscheinender Fremdheit in einer Welt der Fremdheit.
    Uvarov hatte ihm gesagt, daß er sich in die Fähre begeben solle. Pfeilmacher hatte, scheinbar ohne weitere Überlegungen, gehorcht.
    Durch den Boden der Fähre konnte er das näherkommende Schott sehen. Es war ein in die Basis der Lebenskuppel eingelassenes Rechteck, nüchtern und schmucklos,

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