Xeelee 4: Flux
Station in der Nähe der Schweine geschwebt. Sie starrte auf das breite, teigige Gesicht und den Rauschebart. Als sie Hork damals vorgestellt worden war, hatte dieser Bart, dieser Mann mit Haaren im Gesicht, sie gleichermaßen fasziniert und abgestoßen – was zweifellos auch in Horks Absicht gelegen hatte. Doch nun, bei näherer Betrachtung, erkannte sie, daß die Haar-Röhren in einem sechseckigen Muster angeordnet waren… Der Bart war also transplantiert worden, entweder von Horks eigenem Schädel oder vom Kopf eines seiner bedauernswerten Untertanen.
Das entwertete den Bart in Duras Augen; nun empfand sie ihn nur noch als dekadent. Außerdem vergilbte er schneller als das Haupthaar; in ein paar Jahren würde Hork ziemlich grotesk aussehen.
Wie groß, wie dominant, wie anstrengend er war. Es herrschte eine solche Spannung zwischen ihnen, daß man glaubte, Elektronengas knistern zu hören.
»Philosophische Probleme? Ich bin nicht abergläubisch.«
»Das wollte ich damit auch nicht sagen.«
»Wir betrachten die Xeelee nicht als Götter. Ich habe keine Angst, mir den Zorn der Xeelee zuzuziehen, falls Sie das meinen. Aber Menschliche Wesen hätten nie aus eigenem Antrieb eine Reise in den Stern unternommen.«
»Weil die Xeelee sich um euch kümmern, wie eine Himmels-Mama.«
Dura seufzte. »Gar nicht. Ganz im Gegenteil… Wir müssen die Handlungen der Xeelee als gegeben hinnehmen – wir glauben nämlich, daß wir, die menschliche Rasse, langfristig von ihren Zielen profitieren werden. Selbst wenn das die Zerstörung des Sterns und vielleicht sogar unseren eigenen Untergang bedeutet.«
Hork schüttelte den Kopf. »Ihr Oberströmler seid echte Witzbolde. Das ist doch Kinderglaube. Und ein verdammt trostloser dazu.«
»Sie verstehen nicht«, sagte Dura. »Es soll auch kein Trost sein. Dort oben…« – sie wies mit dem Daumen auf die Welt aus Licht und Menschen – »dort finde ich Trost. Bei meiner Familie und meinem Volk.«
Hork musterte sie. Wenn er auch ein schwammiges und grobes Gesicht hatte, so mußte sie sich doch widerwillig eingestehen, daß sich auch Intelligenz und Sensibilität darin spiegelten. »Du fürchtest dich vor dem Tod, Dura, trotz deines ganzen Wissens.«
Dura lachte und schloß die Augen. »Ich habe es Ihnen doch schon gesagt; Wissen bedeutet nicht unbedingt auch Trost. Es gibt keinen Grund, weshalb ich keine Angst vor dem Tod haben sollte… ja, ich fürchte mich davor.«
Hork holte tief Luft. »Dann vertrau mir. Wir werden es überleben. Ich fühle es. Ich weiß es…«
Er kam so dicht an sie heran, daß sie seinen nach Brot riechenden Atem wahrnahm. Er strahlte Ruhe und Entschlossenheit aus; für einen Moment erschien er Dura als die Reinkarnation ihres Vaters.
Doch sie sträubte sich dagegen. »Dann haben Sie also keine Angst vor dem Tod?« fragte sie. »Glauben Sie etwa, Sie könnten durch Ihre Machtstellung in Parz die endgültige Katastrophe abwenden?«
»Natürlich nicht«, sagte er. »Und ich habe auch Angst. Nun bist du überrascht, nicht wahr? Ich bin kein Narr, der keine Angst kennt, Oberströmlerin; und ich bin auch nicht so vermessen, mich für unsterblich zu halten. Ich weiß durchaus, daß ich angesichts der Urgewalten des Sterns so schwach bin wie jeder andere Mensch auch. Aber in diesem Augenblick bin ich…« – er fuchtelte mit den Händen – »…bin ich in Hochstimmung. Ich tue nämlich mehr, als nur auf den nächsten Störfall zu warten oder mich mit Aufräumungsarbeiten zu beschäftigen. Ich versuche, die Welt zu verändern und die Dinge in eine andere Richtung zu lenken.« Seine Augen waren wie schwarze Löcher. »Deshalb mußte ich selbst in die Dunkelheit im Herzen des Sterns vordringen.« Er sah sie an. »Verstehst du das?«
»Manche Leute behaupten, Sie würden vor den eigentlichen Problemen davonlaufen. Wenn Sie in der Stadt geblieben wären und sich am Wiederaufbau beteiligt hätten, wäre das in den Augen der Öffentlichkeit mutiger gewesen, als eine spektakuläre, aber sinnlose Reise zu unternehmen.«
Er nickte. »Ich weiß«, sagte er mit einem grimmigen Lächeln. »Muub gehört auch dazu. Aber keine Sorge, ihm wird nichts geschehen. Es ist nur eine Frage des Standpunkts; ich teile ihn sogar, wenn ich mal einen ganz schlechten Tag habe.« Er grinste. »Aber ich glaube, mein Vater wäre stolz auf mich, wenn er mich nun sehen würde. Er hat mich immer für so – pragmatisch gehalten. Für phantasielos. Und doch…«
Etwas schlug gegen die
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