Xeelee 4: Flux
wurde; dadurch übertrugen sie präzise die geringen Temperaturunterschiede, welche die menschlichen Ohren dann als Schall wahrnahmen.
Aufgrund des engen Röhrenquerschnitts wurden die tiefen Frequenzen jedoch herausgefiltert. Deshalb klang die Stimme der Wilden vom Oberlauf auch dünn und blechern. Dennoch waren ihre Worte – in seiner eigenen Sprache – präzise und fast akzentfrei artikuliert.
Stirnrunzelnd fragte er sich, weshalb er sich darüber überhaupt wunderte. Es war doch ganz natürlich, daß die Frau sprechen konnte. Bei diesen Leuten handelte es sich wohl um Oberströmler – aber sie waren Menschen und keine Tiere. Die wenigen Worte der Frau genügten, um sie als intelligentes und autonomes Wesen einzustufen, das sich von seiner technischen Überlegenheit vielleicht doch nicht so leicht einschüchtern lassen würde.
Möglicherweise würde die Sache doch komplizierter werden, als er zunächst gedacht hatte.
»Stimmt etwas nicht?« fragte die Frau mit raspelnder Stimme. »Hat es dir vor Angst die Sprache verschlagen?«
»Mein Name ist Toba Mixxax, Freimann von Parz. Ihr befindet euch auf meinem Besitz. Ich will, daß ihr von hier verschwindet.«
Der verwundete alte Mann schaute Toba mit blinden Augen an. »Parz-Bastarde!« rief er – leise zwar, aber doch so laut, daß Toba es hörte. »Glaubt wohl, euch gehört der ganze verdammte Mantel, was?« Ein Hustenanfall brachte den alten Narren zum Verstummen, und Toba sah, daß die kräftigere Frau sich über ihn beugte und ihn anscheinend fragte, was er damit hatte sagen wollen. Der Mann ging nicht auf ihre Frage ein, und nachdem der Husten nachgelassen hatte, rief er: »Mach die Flatter, Pol -Mann!«
Toba schürzte die Lippen. Dann wußten sie also über Parz Bescheid. Sie waren doch nicht so unbedarft, wie er angenommen hatte. Vielleicht war am Ende er der Ignorant. Er beugte sich zur Mikro-Membran: »Dies ist die erste und letzte Warnung«, sagte er, wobei er versuchte, drohend zu klingen. »Ihr sollt von meinem Besitz verschwinden. Und wenn ihr nicht abhaut, dann werde ich…«
»Ach, halt’s Maul«, sagte die kräftige Frau und drückte die Nase gegen das Fenster; instinktiv wich Toba zurück. »Glaubst du vielleicht, uns interessiert ›dein Besitz‹? Und überhaupt…« Sie zeigte auf den verwundeten alten Mann. »In diesem Zustand kann Adda sowieso nirgendwohin gehen.« Der alte Mann, Adda, rief ihr etwas zu – vielleicht war es die Aufforderung, ihn zurückzulassen –, aber sie beachtete ihn gar nicht. »Wir rühren uns nicht vom Fleck. Tu, was du nicht lassen kannst. Und wir…« – erneut hob sie den Speer – »…werden mit allen Mitteln versuchen, dich aufzuhalten.«
Toba schaute der Frau in die Augen.
Seitlich von ihm befand sich eine Reihe kleiner, gedrechselter Hebel. Vielleicht war es nun an der Zeit, diese Hebel zu betätigen und Armbrust und Speere des Wagens auszulösen…
Vielleicht.
Im Widerstreit der Gefühle beugte er sich nach vorn. »Was ist mit ihm passiert?«
Die Frau zögerte, doch der Junge sagte: »Adda wurde von einem Eber angegriffen.« Die hohe Stimme wurde authentisch von den Röhren übertragen.
Der alte Mann rang sich ein rauhes Lachen ab. »Ach, Unsinn. Ich wurde von einer trächtigen Sau in die Mangel genommen. Alter Narr, der ich bin.« Es hatte nun den Anschein, als ob er sich vom Baum, auf dem er lag, abstieße, um sich eine Waffe zu besorgen. »Aber ich bin weder so närrisch noch so alt, als daß ich dir nicht noch ein paar höllische Minuten bereiten könnte, Pol -Mann.«
Toba schaute der kräftigen Frau in die Augen. Sie schnitt eine Grimasse und hob den Speer… und dann stieß sie, völlig unmotiviert, ein ansteckendes Gelächter aus.
Der überraschte Toba erwiderte das Lachen.
Spielerisch stieß die Frau den Speer vor. »Du. Toba Mixxax.«
»Mixxax. Toba Mixxax.«
»Ich bin Dura, Tochter von Logue.«
Er nickte ihr zu.
»Du siehst doch, daß wir Schwierigkeiten haben«, sagte sie. »Weshalb kommst du nicht aus deinem Schweinestall heraus und hilfst uns?«
Er runzelte die Stirn. »Wobei soll ich euch denn helfen?«
Empört schaute sie zu dem alten Mann. »Bei ihm natürlich.« Sie betrachtete den Wagen nun mit ganz anderen Augen, als ob sie das technische Niveau abschätzen wollte. »Vielleicht könntest du uns helfen, seine Wunden zu verbinden.«
»Kaum. Ich bin kein Arzt.«
Dura runzelte die Stirn, als ob dieses Wort ihr nicht geläufig wäre. »Dann könntest du uns wenigstens
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