Xeelee 4: Flux
Augen. »Hast du das nun verstanden? Ich halte es für wichtig, daß du weißt, was mit deinem Freund geschehen ist.«
»Das ist schon klar«, rief Adda aus seinem Kokon. »Aber es macht nicht den geringsten Unterschied, denn sie kann sowieso nichts daran ändern.« Er lachte. »Sie hat mich in diese Hölle verbannt. Ist doch so, Dura?«
Zorn wallte in Dura auf wie Denis erwärmtes Suprafluid. »Ich habe jetzt genug von deinem Zynismus, alter Mann.«
»Ich habe euch doch gesagt, ihr hättet mich sterben lassen sollen«, flüsterte er.
»Weshalb hast du uns nichts von Parz City gesagt? Weshalb hast du uns unvorbereitet hinfliegen lassen?«
Er seufzte, wobei eine dicke Schleimblase aus dem Mundwinkel hervorquoll. »Weil wir vor zehn Generationen vertrieben wurden. Weil unsere Vorfahren die Heimat absichtlich so weit von Parz entfernt errichtet hatten, daß niemand mehr mit dem Gedanken an eine Rückkehr spielte.« Er lachte. »Es war besser, die Stadt zu vergessen… welchen Sinn hätte die Kenntnis dieses Orts auch gehabt? Aber woher hätten wir wissen sollen, daß sie sich so weit ausbreiteten und die Kruste mit ihren Decken-Farmen und Rädern überzogen? Sie sollen verdammt sein…«
»Weshalb wurden wir aus Parz vertrieben? War es wegen…« Sie drehte sich zu Deni Maxx um, doch die machte sich mit einem Kernstoff-Griffel Notizen und hörte scheinbar nicht zu. »Wegen der Xeelee?«
»Nein«, sagte er mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Nein, nicht wegen der Xeelee. Zumindest nicht direkt. Es lag am Verhalten, das durch unsere Philosophie vorgegeben wurde.«
Die Menschlichen Wesen glaubten, daß das Wissen um die Xeelee vor der Ankunft der Menschen im Stern datierte – daß die Ur-Menschen selbst es hierher gebracht hatten.
Die gottgleichen Xeelee sollten über so große Räume herrschen, daß im Vergleich hierzu der Stern nicht mehr war als ein Staubkorn im Auge eines Riesen. Die nach der Herrschaft strebenden Menschen hatten sich gegen die Xeelee gestellt – hatten sogar einen hoffnungslosen Krieg gegen die großen Projekte der Xeelee geführt, gegen Konstrukte wie den legendären Ring.
Doch im Lauf der Generationen – und als eine schreckliche Niederlage auf die andere folgte – hatten die Menschen ein neues Denken entwickelt. Niemand wußte, welche Ziele die Xeelee verfolgten. Doch was, wenn nicht primitive menschliche Motive wie die Beherrschung anderer ihren Projekten zugrunde lagen, sondern weitaus höhere Ziele?
Die Xeelee waren viel mächtiger als die Menschen. Vielleicht würde sich daran nie etwas ändern. Und wenn sie den Menschen schon so weit überlegen waren, dann waren sie vielleicht auch viel weiser.
Deshalb verlegten manche Apologeten sich nun auf die Forderung, die Menschen sollten sich lieber in die Obhut der Xeelee begeben, als sich ihnen entgegenzustellen. Wenn die Wege der Xeelee auch unergründlich waren, so mußten sie sich doch von großer Weisheit leiten lassen. Die Apologeten entwickelten eine Philosophie der Friedfertigkeit und des Vertrauens in höhere Wesenheiten.
»Wir haben die Gebote der Xeelee befolgt, Dura, nicht die Gebote des Komitees«, fuhr Adda fort. »Wir verweigerten ihnen den Gehorsam.« Er schüttelte den Kopf. »Also haben sie uns weggejagt. Und dabei hatten wir noch Glück; heute würden sie uns einfach aufs Rad flechten.«
Deni Maxx berührte Duras Schulter. »Ihr solltet jetzt gehen.«
»Wir kommen wieder.«
»Nein.« Im Zeitlupentempo versuchte Adda, eine andere Haltung im Kokon einzunehmen; offensichtlich hatte er Schmerzen. »Nein, kommt nicht zurück! Verschwindet! Haut ab! So weit und so schnell wie möglich. Verschwindet!«
Seine Stimme verzerrte sich zu einem gurgelnden Knurren, und er schloß die Augen.
10
»DU BLÖDER OBERSTRÖMLER-WIND!« schrie Hosch Farr an. »Wenn ein ganzer verdammter Baumstamm in diesen Trichter geschoben werden soll, dann sag ich dir’s schon!« Nun schob der Hafenmeister das hagere Gesicht vor, und seine Stimme reduzierte sich auf ein kaum wahrnehmbares, drohendes Zischen: »Aber bis ich das tue… und wenn es dir nicht zu viele Umstände bereiten würde… könntest du das Holz vielleicht etwas gründlicher zerkleinern. Oder…« – faulig riechende Photonen entwichen aus seinem Mund – »vielleicht möchtest du dem Holz auch in den Trichter nachfolgen und die Arbeit dort erledigen? Eh?«
Farr ließ Hoschs Tirade stumm über sich ergehen. Rechtfertigungsversuche hätten erfahrungsgemäß nur noch schlimmere
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