Xeelee 4: Flux
umwickelt und hing an einem großen Flaschenzug, der sich fast in der Dunkelheit über Farr verlor. Über weitere Kabel war die Glocke mit dem Rückgrat verbunden. Farr machte fahle Flecken in der Finsternis über ihm aus, Gesichter von Hafen arbeitern, die den Flaschenzug bedienten.
Das Rückgrat war eine mit Kabeln behängte Holzsäule, die von dieser Kammer ausging. Sie bohrte sich durch die dichte Luft unter der Stadt und verengte sich mit zunehmender Entfernung zu einer kaum sichtbaren, dunklen Linie, die sich an der Flußrichtung des Magfelds orientierte. Kabel zogen sich an ihr entlang, bis tief hinunter in die purpurne, tödliche Masse des UnterMantels.
Als Farr der Krümmung des Rückgrats folgte, verlangsamte sich sein Herzschlag.
Die Glocke wirkte überaus zerbrechlich. Wie sollte sie ihn vor der Auflösung in den Tiefen des UnterMantels schützen, der an die brodelnde Oberfläche des Quanten-Meers selbst grenzte? Sicher würde er wie ein Blatt zerquetscht werden; kein Wunder, daß schon so viele Fischer ums Leben gekommen waren.
Hosch öffnete eine Luke in der Wandung der Glocke und kletterte ungelenk hinein. Bzya bedeutete Farr, vorwärts zu gehen. Als Farr sich der Sphäre näherte, sah er, daß die Oberfläche arg verschrammt war. Er fuhr mit dem Finger über eine tiefe Schramme; es hatte den Anschein, als ob ein Tier diesen zerbrechlich wirkenden Behälter mit Zähnen oder Klauen angegriffen hätte.
Sehr beruhigend, sagte er sich.
Farr hatte eigentlich erwartet, daß das Innere der Glocke wie Mixxax’ Wagen über bequeme Sitze und große Fenster verfügen würde. Statt dessen betrat er eine düsteren Kabine, wobei er fast noch mit Hosch zusammenstieß. Es gab nur kleine Sichtfenster aus Klarholz, die kaum Licht durchließen, und grünlich glühende, kokelnde Holzlampen versuchten, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Eine Stange markierte die Hochachse der Sphäre, und Farr hielt sich gleich daran fest. Es gab ein schlichtes Instrumentenbrett – mit zwei abgewetzten Schaltern und einem Hebel –, und des weiteren war die Sphäre mit Schränken und Gegenständen vollgestellt, die wie Luft -Tanks aussahen.
Als Bzya schließlich die Glocke betrat, wurde es plötzlich eng in der Kabine. Dann legte der Fischer die großen Hände um die Haltestange, und die Glocke wurde von seinem Körpergeruch erfüllt. Hosch zwängte sich an ihnen vorbei, um die Luke zu schließen, eine massive Holzscheibe, die bündig mit dem Rahmen abschloß.
Sie warteten in fast völliger Dunkelheit. Dann vernahmen sie schabende Geräusche an der Außenwand. Farr schaute durch eine Sichtluke und sah, wie Hafenarbeiter die Kernstoff-Bänder so ausrichteten, daß sie die Sphäre in gleichmäßigen Abständen umspannten und gleichzeitig die Luke arretierten. Farr blickte von Hosch zu Bzya. Bzya erwiderte den Blick mit einem fatalistischen Gesichtsausdruck, wobei die Narben im Zwielicht nicht ganz so unheimlich wirkten wie sonst. Der Aufseher hingegen machte einen verärgerten und angespannten Eindruck.
Dann war ein monotones Summen zu hören, das die Sphäre zum Vibrieren brachte und Farrs ganzen Körper zum Schwingen anregte; er spürte, wie die Kapillaren sich verengten. Er schaute auf Bzya, doch der Fischer hatte das unversehrte Auge geschlossen und machte ansonsten einen völlig ruhigen Eindruck; die Augenhöhle glich einem in die Unendlichkeit führenden Tunnel.
… Und etwas veränderte sich. Farr, der zum erstenmal in seinem Leben mit einem ›Aufzug‹ fuhr, hatte den Eindruck, daß ihm die Sinne schwanden. Ein vergleichbares Gefühl hatte er erst einmal gehabt: als er sich auf jener letzten, schicksalsträchtigen Jagd mit den Menschlichen Wesen im freien Fall befunden hatte. Was geschah mit ihm? Er spürte, daß der Griff um die Stange sich lockerte und die Finger vom Holz abglitten. Er schrie auf und driftete zurück.
Bzya packte ihn an den Haar-Röhren und zerrte ihn zur Stange zurück, worauf Farr Arme und Beine um das feste Holz schlang.
Hosch lachte wie ein Reibeisen.
Jemand hämmerte mit der Faust gegen die Glocke. Nun setzte die Sphäre sich ruckend und schwankend in Bewegung. Farr hörte, daß die Kabel an der Glocke und aneinander schleiften.
Es ging los. Schweigend stiegen sie zum UnterMantel hinab.
»Der Junge ist völlig unvorbereitet, Hosch«, sagte Bzya ganz sachlich. »Ich habe es dir schon einmal gesagt. Welchen Nutzen hat er für uns, wenn er nicht Bescheid weiß und vor Angst wie gelähmt
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