Xeelee 5: Vakuum-Diagramme
müssen in Bewegung bleiben«, trompetete Orange. Er vergrub das Gesicht in ihrem verschneiten Fell. Sie legte ihm den Greifarm um die Schultern. »F… folge mir«, sagte sie. »Wir werden… die Acht Kammern finden…«
Er schloss die Augen und kämpfte sich weiter voran.
* * *
Der Sturm flaute erst nach ein paar Tagen ab.
Als Teal erwachte, lag eine dicke Schneedecke wie ein Schalldämpfer auf der Welt. Er setzte sich auf, klopfte den Schnee von der Kleidung und ließ den Blick schweifen.
Orange schaute starr geradeaus und knetete aufgeregt die Hände.
»Wa…?« Teal schielte in die Richtung, in die sie schaute – nach dem rot schimmernden Norden.
Da zeichnete sich etwas am Horizont ab: Ein dunkler Fleck im Schnee.
Ein Bauwerk.
Es war ein Würfel, dessen Seitenlänge etwa anderthalb Mannhöhen entsprach. Die Wände waren fugenlos bis auf eine große Tür, die in die Südseite eingelassen war.
Das ganze Ding schwebte ungefähr eine Armlänge über dem Erdboden.
»Die L-Lieder«, stammelte die Mummy-Kuh. »Das isses, was… die Lieder beschreiben…«
»Die Acht Kammern«, seufzte Teal. »Du hattest Recht. Da gibt’s keinen Zweifel.«
Orange schauderte. Er musterte sie neugierig. Sie war vor Angst wie gelähmt… und doch hatte sie gewusst, wo sie suchen musste. Er gedachte den Generationen von Mummy-Kühen, die von den Menschen, denen sie gedient hatten, ausgebeutet und verachtet worden waren – und dabei hatten sie die ganze Zeit ein ganz besonderes Wissen gehütet, das ihnen auch Mut gemacht hatte.
Er fragte sich unbehaglich, wie viel mehr es noch über die Welt zu lernen gab.
Schwerfällig kam er auf die Füße und klopfte Orange auf die Flanke. »Komm«, sagte er. »Wir haben es bald geschafft…«
Orange traute sich nicht näher als ein paar Schritt ans Bauwerk heran. Teal ging allein hin. Er kniete sich in den Schnee und schob die Hand unter den Kubus. »Muss verdammt viel Heißluft erfordern, um das Ding oben zuhalten…«
Teal ging zur Tür und drückte zaghaft dagegen. Er hatte das Gefühl, die Brust würde ihm eingeschnürt.
Orange wimmerte und verbarg die Augen in den Händen.
Er öffnete die Tür sperrangelweit. Das Innere leuchtete in einem fahlen Blau.
Teal hatte seit einem Jahrzehnt kein Blau mehr gesehen.
Er blinzelte Tränen weg und betrat die Kammer.
* * *
Zum ersten Mal seit Teals Exodus verbrachten sie die Nacht in einer geschützten Örtlichkeit. Er erwachte in einer verhältnismäßig warmen Umgebung und genehmigte sich ein Frühstück aus Wasser und einer käseartigen Knospe.
Es hatte großer Überredungskünste bedurft, um Orange zum Betreten der Kammer zu bewegen.
»Du brauchst keine Angst zu haben – es ist nur ein großes Tipi.«
»Nein, isses nicht…«
»Na ja, vielleicht nicht ganz…«
Nun stand sie unbehaglich mitten in der Kammer in einer Pfütze aus Schmelzwasser.
Teal inspizierte die Kammer und stellte fest, dass sie kahl war bis auf eine Art Lampenfassung an der Decke. In jeder der vier Wände gab es eine Tür – und Luken im Boden und in der Decke.
Die Türen starrten ihn an wie ausdruckslose Augen.
Er fuhr mit der Hand über die blauen Wände. Das Material war warm und leicht elastisch – wies eine beunruhigende Ähnlichkeit mit Haut auf. Er fühlte sich daran erinnert, wie er den Bauch seiner Frau durch die weiche Lederdecke gestreichelt hatte.
Er verdrängte das Bild.
Er nahm die Seilrolle aus Oranges Packtasche und schlang sich ein Ende um die Taille. »Hier«, sagte er. »Gut festhalten. Wenn du… nach einer Weile nichts mehr von mir gehört hast, versuch mich zurückzuziehen. Hast du das verstanden? Was auch immer geschieht, kehr zu meiner Großmutter zurück und erzähl ihr, was du gesehen hast. Alles klar?«
Der große Schädel senkte sich. Er strich ihr wieder über die Flanke.
Dann ging er zur Tür in der Rückwand des Würfels. Orange schaute ihm zitternd nach. Nun denn, sagte er sich. Die Logik sagt mir, dass nichts hinter dieser Tür ist. Sie führt geradewegs wieder in den Schnee.
Oder?
Er drückte gegen die Tür. Sie schwang so geschmeidig auf wie ein Muskel.
Dahinter befand sich eine weitere Kammer. Sie schien ein Spiegelbild der ersten zu sein: Kahle Wände, eine Lampenfassung und in jeder Wand eine Tür…
Vielleicht war es wirklich eine Art Spiegelung.
Es war keine. Er drehte sich zu Orange um. Nur dass es keine Orange in der zweiten Kammer gab… und auch keinen Teal.
Er trat durch die Tür.
Der Boden wirkte
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