Xeelee 5: Vakuum-Diagramme
diese Art der Fortbewegung hier überhaupt genug Eis gibt.«
»Nun, der Schnee mag wohl kärglich erscheinen, aber er fällt stetig – schon seit fünf Milliarden Jahren… Dr. Larionova, es gibt hier im Chao-Meng-Fu-Krater einen ganzen gefrorenen Ozean: So viel Eis, dass es sogar von der Erde aus wahrgenommen werden kann.«
Larionova drehte sich um und schaute durch das Fenster im rückwärtigen Abschnitt der Kabine. Die Heckleuchten des Geländefahrzeugs erhellten die Spuren von Zwillingskufen, die zum Kamm der Kraterwand zurückführten; in den Vertiefungen gefrorenes Eis schimmerte hell im Sternenlicht.
Teufel, dachte sie. Jetzt fahre ich auch noch Ski. Skifahren auf Merkur. Welch ein Tag!
Die Kraterwand wurde flacher und lief nahtlos in die Kraterebene aus. Scholes fuhr die Kufen ein; der Regolith-Staub vermittelte den Breitreifen des Geländefahrzeugs auch auf dem Eis genügend Traktion. Das Fahrzeug legte die achtzig Kilometer zum Zentrum der Ebene schnell zurück.
Larionova trank Kaffee und betrachtete die Landschaft durch die Fenster. Das Licht der Corona leuchtete hier silbrig und hell wie Mondlicht. Der Zentralgipfel erhob sich groß über dem Horizont, wie ein sich näherndes Schiff in einem Meer aus Staub. Die Eisoberfläche des Bodens von Chao – obwohl sie mit Kratern übersät und mit dem allgegenwärtigen Regolith-Staub überzogen war – wirkte sichtlich glatter und ebener als das Plateau jenseits des Kraters.
Das Geländefahrzeug hielt an der Grenze des ausgedehnten Lagers des Teams von Thoth an, dicht an den Ausläufern des Zentralgipfels. Der Staub war hier von den Ketten der Geländefahrzeuge und den flüssigen Verbrennungsrückständen der Schlepper komprimiert worden, und semitransparente Kuppeln erhellten die dunkle Eisfläche als Halbkugeln aus gelbem, heimeligem Licht. Es gab Bohrtürme, und etliche große Gruben waren in das Eis gegraben worden.
Scholes half Larionova beim Abstieg auf die Oberfläche. »Ich bringe Sie zu einer Kuppel«, sagte er. »Oder zu einem Schlepper. Vielleicht möchten Sie sich noch etwas frisch machen, bevor…«
»Wo ist Dixon?«
Scholes deutete auf einen der Bohrtürme. »Als ich aufbrach, war er noch dort drüben.«
»Dann werden wir auch dorthin gehen. Kommen Sie.«
Frank Dixon war der Teamchef. Er begegnete Larionova auf der Oberfläche und bat sie dann in eine kleine, auf Lichtundurchlässigkeit geschaltete Kuppel, die sich an die Basis des Bohrturms schmiegte.
Scholes begab sich derweil in das Lager, um etwas Essbares aufzutreiben.
Die Kuppel verfügte über ein paar Stühle, einen Computer und eine chemische Toilette. Dixon war ein mürrischer, stämmiger Amerikaner; als er den Helm abnahm, erschien ein Schmutzrand am Ansatz seines kräftigen Halses, und Larionova registrierte einen stechenden, beißenden Gestank, der aus seinem Anzug drang. Offensichtlich hatte Dixon sich schon lange Zeit draußen auf der Oberfläche aufgehalten.
Er zog einen Flachmann aus einer Tasche des Schutzanzuges. »Wollen Sie einen Schluck?«, fragte er. »Scotch?«
»Sicher.«
Dixon füllte die Verschlusskappe für Larionova und genehmigte sich dann einen Schluck direkt aus der Flasche.
Der Alkohol brannte Larionova in Mund und Rachen, aber gleichzeitig vertrieb er auch ihre Müdigkeit. »Der Scotch ist gut. Aber man müsste ihn mit Eis trinken.«
Er lächelte. »Eis haben wir reichlich. Wir haben es sogar schon versucht; das Merkur-Eis ist gut und von hoher Reinheit. Wir werden hier draußen sicher nicht verdursten, Irina.«
»Sagen Sie mir, was Sie bisher gefunden haben, Frank.«
Dixon setzte sich auf die Kante des Computertisches, wobei seine strammen Waden die entsprechende Partie des Schutzanzuges ausbeulten. »Probleme, Irina. Wir sind auf Probleme gestoßen.«
»Darüber bin ich schon informiert.«
»Ich glaube, dass wir den Planeten verlassen müssen. Die Administration des Systems – und die Wissenschaftler und Umweltschützer – werden uns allesamt aufs Dach steigen, wenn wir versuchen sollten, hier nach Bodenschätzen zu graben. Ich wollte es Ihnen schon sagen, bevor…«
Larionova bemühte sich, ihre Gereiztheit und Müdigkeit zu unterdrücken. »Das ist aber kein Problem für Thoth«, meinte sie. »Und deshalb ist es auch nicht mein Problem. Wir könnten bei Suprahet einen Wassereis-Asteroiden aus dem Gürtel anfordern, um unsere Versorgung zu gewährleisten. Das wissen Sie doch. Was soll das, Frank. Sagen Sie mir, warum Sie meine Zeit hier
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