Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten
das Buch »Balance oder Zerstörung« von F. J. Radermacher, der anhand einer »ökosozialen Marktwirtschaft« einen möglichen Weg aufzeigt. Die Grundidee ist diese: Wir können in den nächsten 50–100 Jahren den Ressourcenoutput (Autos, Häuser, Kleider …) verzehnfachen, und zwar durch Einsatz entsprechender Technologien so, dass die Umweltbelastung dadurch NICHT erhöht wird. Es geht also »nur« darum, diesen 10fachen Zuwachs des Reichtums UNGLEICH zu verteilen. Wenn es uns gelingt zu erreichen, dass die armen Länder in den nächsten 50–100 Jahren ein Wirtschaftswachstum von jährlich 6–8 % haben, die reichen Länder hingegen nur 1–3 %, dann ist es eine einfache Rechnung, die Radermacher in seinem Buch vorführt, dass nach 50–100 Jahren die Dritte Welt aufgeholt hat. Das Ermutigende an dieser Idee ist, dass den Reichen nichts weggenommen wird (sie werden nur weniger schnell noch reicher und daher ist ein solches Modell vielleicht politisch durchsetzbar), aber die armen Länder sehr viel schneller wachsen (in Radermachers Rechenbeispiel um einen Faktor 34) und damit aufholen.
Tatsächlich können sowohl die Wiedervereinigung Deutschlands als auch die Erweiterung der EU auf 25 Staaten im Jahre 2004 in diesem Lichte gesehen werden. Die »neuen« werden prozentuell ein sehr viel höheres Wirtschaftswachstum haben als die »alten« und nur so ist ohne große Umschichtungen erreichbar, dass das Reichtumsgefälle zwischen alten und neuen EU-Mitgliedern innerhalb von ein bis zwei Generationen zur Gänze verschwinden wird.
Natürlich ist die Praxis schwieriger als die Theorie. Wie erreicht man pragmatisch, dass die armen Länder tatsächlich rascher wachsen als die reichen? Und selbst wenn das gelingt, kann es sein, dass man damit nur eine Elite sehr reich macht, aber auf Grund fehlender sozialer Strukturen der Großteil der Bevölkerung weiter arm bleibt?
Ergänzende Maßnahmen, die auch sofort Resultate erzielen, sind notwendig. Dazu gehören jene, die den ärmeren Staaten sofort mehr Einnahmen bringen, aber gleichzeitig erzwingen, dass dieser Reichtum auch an alle Menschen im Land weitergegeben wird. Eine solche Maßnahme wäre ein Übereinkommen der Industriestaaten (und wenn das politisch sehr schwer durchsetzbar ist, genügt schon ein Übereinkommen zwischen großen Konzernen!), dass man Waren nur mehr aus Ländern bezieht, in denen einige Grundgesetze eingehalten werden, wie etwa:
Grundschule verpflichtend für alle Kinder
Verbot der Kinderarbeit
Beschränkung der jährlichen Arbeitszeit
Mindestlöhne basierend auf der jährlichen Arbeitszeit
Anspruch auf medizinische Betreuung
Anspruch auf Pensionierung im Alter mit einer Mindestpension
usw.
Durch die Einhaltung einer Liste von solchen Regeln wird die Produktion in den betreffenden Ländern teurer, d. h., sie verdienen mehr durch den Export. Gleichzeitig wird dadurch die Wettbewerbsverzerrung, die heute existiert, verringert. Ein Beispiel mag dies erläutern.
Alle großen Elektronikkonzerne kaufen gewisse Computerchips aus Billigländern, verhindern damit eine eigene Chipindustrie und beuten in Wirklichkeit die Menschen dieser Billigländer aus. Wenn nun aber etwa alle Hersteller von zum Beispiel Videokameras ihre Chips teurer kaufen würden, dann wäre der Wettbewerb innerhalb der Kameraproduzenten unverändert. Der ohnehin reiche Endverbraucher würde zwar etwas mehr für das neueste Modell einer Videokamera zahlen, aber dieser etwas erhöhte Preis für Luxusartikel würde doch wahrlich verschmerzbar sein.
Ohne hier eine Abhandlung über Weltwirtschaft schreiben zu können oder zu wollen, sei noch ein Punkt erwähnt: In einer so globalen Wirtschaft, in der wir leben, wäre es sinnvoll, wenn Wechselkurse zwischen den großen Währungsblöcken durch entsprechende Abkommen nur innerhalb einer gewissen Bandbreite schwanken dürfen (wie das etwa in den Euroländern vor der Einführung des Euros war). Die enormen Währungsschwankungen machen die Standortplanung von Betrieben schwer. Sie führen zum Beispiel dazu, dass irgendwo eine riesige Produktionsstätte aufgebaut wird und Menschen eingeschult werden, diese drei Jahre später aber wieder arbeitslos sind, weil die Produktionsstätte in ein Land mit besseren Konditionen verlegt wird.
Ich rufe alle Leser auf, die Bestrebungen von Menschen wie Radermacher zu unterstützen und auf einen Boykott aller Länder hinzuarbeiten, in denen Menschen unter unwürdigen Umständen für die
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