Xperten - e-Smog: Elektromagnetische Umweltverschmutzung
dass sie sich nicht von ihrem Platz im Kreis der Frauen wegbewegt hat. Jetzt ist sie steif vom langen Sitzen und es tut gut, ein wenig auszuschreiten. Im hellen Mondschein ist es kein Problem voranzukommen.
Als Mandi sich umwendet um zurückzugehen, ist sie erstaunt, dass das Lagerfeuer jetzt heller und größer erscheint als zuvor. Sie nimmt an, der Sehsinn passe sich nach dem Spaziergang im Dämmerlicht des Mondes an das grelle Licht des Feuers an, blinzelt und reibt sich die Augen. In diesem Moment spürt sie, wie ihr Körper sich anspannt – und sie kennt dieses Gefühl sehr gut. Es ist dieser überreizte Zustand, der sie seit ihrer Ankunft in Jabiru quält. Diese nervöse Erregung, die später von der Migräne überschattet wurde, jetzt ist sie wieder da. Plötzlich fühlt Mandi, dass sie laufen will, nein – laufen muss. Ihr Blut pocht in den Adern, sie spürt, wie ihr Herz rast. Die Haut scheint zu vibrieren und ihr Atem geht stoßend schnell.
»Was ist nur los mit mir?«, fragt sich Mandi. Sie bleibt erschöpft stehen und stützt nach vorne gebeugt ihre Hände auf den Knien ab. Nach Atem ringend wird ihr klar: »Eine Panikattacke.« Sie erhebt sich wieder und fühlt sich etwas besser. Langsam geht sie zum Lagerfeuer zurück, die Flammen sind inzwischen weniger hoch. Unbeholfen stolpert sie über niedriges Buschwerk, ohne die Dornen zu beachten, die ihre Haut ritzen.
Bald nachdem Mandi wieder am Feuer Platz genommen hat, erfasst sie die nächste Welle dieser eigenartigen Spannung. Die Welt rundum ändert ihr Tempo. Die Flammen hüpfen ungestüm und die Tänzer löchern den Boden mit ihren Speeren. Sie scheint von dunklen Gestalten mit flatternden Armen umgeben zu sein. Da trifft ihr Blick unvermutet auf die Augen eines bestimmten Tänzers und wie ein Blitz fährt ein Schmerz in ihre rechte Stirnseite.
Mandi wird erneut von Panik erfasst. »Wer ist das!?« Die weißen Streifen am Körper unterscheiden sich nicht von denen der anderen Tänzer, aber diese Augen! Ihre Schwärze bohrt sich in ihre Seele. An Kopf und Nacken stehen ihr die Haare zu Berge. Der Mann scheint nicht nur zu tanzen, sondern er schlägt auf jemanden oder auf etwas ein, als ob er es töten wollte. Ein roter Halo wird rings um ihn sichtbar. Könnte das sein … Chakra sein? Sie erinnert sich an das, was Emma, eine Bekannte aus Newman, über die Farben der Chakren gesagt hatte: Eine rote Aura um eine Person ist die Farbe des Basis-Chakras, das sich auf das Körperliche bezieht: Leidenschaft, Vitalität, Sex, Stärke. Damals hat sie Emma ausgelacht, aber in diesem Moment lacht sie nicht. Sie ist wie gelähmt.
Die Bewegungen des Tänzers sind so schnell wie die der anderen. Aber im Gegensatz zu den anderen erscheint sein Tanz nicht wie ein rasendes Zucken, sondern er macht einen bewussten und selbstsicheren Eindruck. Mandi kann ihren Blick nicht von ihm abwenden. Ihr Herz rast. Die Intensität des Mannes macht ihr Angst, aber gleichzeitig zieht sie sie immer stärker in ihren Bann. Da erfasst eine eigenartige Leichtigkeit ihren Körper und ihr Geist wird plötzlich sehr klar. Die Migräne ist verschwunden. Mandi sieht ins Feuer und sie kann ganz deutlich den Umriss jedes einzelnen Zweiges und Scheites erkennen. Sie wendet sich der alten Frau zu und bemerkt, dass diese sie beobachtet. In den Falten ihres wettergegerbten Gesichtes erkennt sie das zerklüftete Land wieder, in dem sie sich befinden. Mandi hat nie zuvor ein derart schönes Gesicht gesehen.
Ohne Vorwarnung fühlt sich Mandi plötzlich ungeheuer matt und erschöpft. Sie kann ihre Augen nicht mehr offen halten. Schnell richtet sie sich ihren Rucksack als Kopfpolster, sinkt nieder und fällt sofort in tiefen Schlaf, trotz des Lärms der Holzstäbe und der heulenden Didgeridoos.
In ihrem bizarren Traum geht der Tanz weiter. Gewaltige Lichteruptionen überziehen den nächtlichen Himmel und sie spürt die Hitze im Gesicht. Der kraftstrotzende Mann mit den schwarzen Augen nähert sich Mandi im Tanz und entfernt sich wieder, bis er so klein ist wie eine Iris. Die Iris wird zu einer Iris im Auge der alten Frau, ihr Gesicht wird größer und größer, bis es übergeht in die zerfurchte Felswand hinter ihr.
Als Mandi ihre Augen öffnet, dämmert es. Die Felswand leuchtet in der Morgensonne orangerot. Ohne sich zu bewegen, blickt Mandi von ihrem Platz auf dem nackten Erdboden um sich. Rauch steigt träge von der Glut des Feuerplatzes auf. Zwei Aboriginefrauen gehen bedächtig vorbei,
Weitere Kostenlose Bücher