Yachtfieber
kurze Ärmel die enormen Bizepse betonten. Er grinste. Sein Gesicht war weitaus männlicher, kantig bis zum Kinn, aber auch er flößte ihr kein Vertrauen ein. Sie nahm einen Schluck und wollte abwehren, als ihr der Junge gleich darauf nachschenkte, aber sie kam zu spät. Das Glas war wieder voll, und sie spürte die Wirkung. Klar, sie hatte ja ewig nichts in den Magen bekommen, nur Wasser und jetzt Champagner, das konnte nicht gutgehen.
»Ich wollte nur etwas an der Küste entlangfahren, aber ich habe mich verirrt«, sagte sie und zuckte leicht die Schultern.
»Blöd von mir!«
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»Das passiert schon mal.« Yavuz lächelte und übersetzte seinen Freunden, was sie gesagt hatte. Der dritte gefiel ihr am besten. Ein zurückhaltender Mensch, das war auch an seinem leichten olivgrünen T-Shirt zu sehen. Er hatte sich tief in seinen Sessel gesetzt und sah aus, als ob er sich völlig heraushalten wollte.
»Störe ich auch nicht?« fragte sie spontan.
»Wobei?« Yavuz lehnte sich auf seiner Sitzkante zu ihr vor.
»Nun«, Alissa sah zu dem Kleinsten und Unscheinbarsten von ihnen, »vier Männer auf einem Boot sind ja nicht einfach so unterwegs. Ich nehme an, sie wollen etwas besprechen«, sie überlegte, »oder so was.«
»Vielleicht wollen wir auch nur einfach etwas Schönes erleben?«
Yavuz’ Lächeln war ihr zu anzüglich. Sie hatte nicht die Absicht, darauf einzugehen.
Im Eingangsbereich der Bar standen sehr niedrige viereckige Tische mit Lederhockern, die fast alle besetzt waren, erst im hinteren Teil des Raumes befand sich die eigentliche Theke, ein Holztresen mit einem eigentümlich einfachen Charme, mit einfachen Holzregalen an der Wand – schlichte Bretter, die aber viele Flaschen trugen.
»Nach Alkohol ist mir jetzt nicht«, erklärte Chara und zog sich einen der wenigen Barhocker unter den Hintern.
»Mir schon!« Riccardo bestellte einen Raki und schaute sich um. »Ich dachte, Inka sei hier?«
»War sie auch eben noch!« Jens deutete auf ein halbleeres Glas. »Da steht ihr Campari-Orange.«
»Nicht, daß der geheimnisvolle Unbekannte sie gekidnappt hat
…« Riccardo zwinkerte Chara zu, aber sie schüttelte nur den Kopf.
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»Warum haben sie dir denn die Faust in den Magen gerammt, hm?« Ihr Ton blieb beiläufig, aber sie suchte seinen Blick.
Jens sah Riccardo überrascht an. »Wer sie? Die Polizisten?«
Riccardo blieb gelassen. »Das habe ich dir doch erzählt, sie haben mich schikaniert. Ich habe keine Ahnung, warum. Als ihr gehen durftet und ich nicht, hab ich Schiß gekriegt. Man hört ja, was die so alles mit einem anstellen können. Aber ich habe nicht mal kapiert, was die eigentlich von mir wollten!«
»Und?« fragte Chara. »Was wollten sie denn?«
»Das gleiche wie von euch. Wissen, ob wir Rauschgift dabeihatten. Und ich habe denen gesagt, daß ich ja nicht total bescheuert bin. Keiner von uns!«
»Bloß«, warf Chara ein, »uns glauben sie und dir nicht.
Warum?«
»Warum, warum, was soll das werden, ein Verhör? Keine Ahnung! Weil ich Italiener bin und du eine niedliche Griechin?«
»Wo Türken Griechen ja so lieben, klar doch!«
»Hört auf, was soll das denn?« Jens schaute Chara mit gerunzelter Stirn an. »Ist was? Ach, schau, da kommt Inka.«
Sie tänzelte heran, etliche Köpfe drehten sich nach ihr um, sie schenkte Riccardo ein strahlendes Lächeln. »Da haben wir unseren Helden ja wieder! Dann können wir ja noch ein paar Tage Urlaub machen, bevor wir zurückdüsen!«
»Meine Klamotten sind alle auf der ›Dogukan‹.« Jens hob beide Hände. »Ich habe nur noch das, was ich am Leibe trage.«
»Dann nehmen wir uns ein Boot und fahren zur ›Dogukan‹
zurück!« Chara verschränkte die Arme. »Picken unterwegs Alissa mit ihrem Schlauchboot auf und schauen uns diese Geiselnahme mal aus der Nähe an.«
»Aber zuerst will ich was trinken.« Riccardo drehte sich zum Tresen um und bestellte einen Krug Wasser und eine Runde Raki. »Und dann glaubst du doch nicht im Ernst, daß ich mich 161
zwischen diese Typen und die Polizei dränge. Mir hat das eben schon gereicht. Ich nehme den nächsten Flieger und hau ab.
Kohle und meine Papiere habe ich, und den Rest können Kim oder Alissa ja nachschicken. Oder ich hake es eben ab, auch egal!«
Chara schaute zur Tür. Eben war ein dunkel gekleideter Mann hereingekommen, sah sich kurz suchend um. Sie war sich nicht sicher, ob er es war. Von der Statur her konnte er es sein, obwohl er ihr größer vorkam, und er trug keinen
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