Yakuza Flowers
blieben noch lange so sitze n. Selbst später i m Bett war kein Schlaf zu finden. Der Vorfall vom Abend verfolgte sie auch da.
Gabriel war schon wach, als Vincent am nächsten Morgen eintrat. Sobald sein Freund ihm das Gesicht zuwandte, wusste Vincent, dass er sich an alles erinnerte. Unter Gabriels geröteten Augen lagen dunkle Schatten und seine Lider waren geschwollen. Vincent schmerzte es in der Seele, ihn so zu sehen.
„Soll ich dir etwas zu essen bringen?“, fragte er kopflos und setzte sich auf den Bettrand, bevor er nach einem kleinen Zögern nach Gabriels Hand griff. Von Gabriel kam keine Reaktion auf die Frage. Er sah Vincent nur stumm an. Dann wandte er den Kopf wieder zum Fenster, hinter welchem die Sonne den Garten in mildes, goldenes Licht tauchte.
„Wir haben uns im Streit getrennt.“ Gabriels Stimme klang rau und Vincent wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.
„Wäre ich nicht Hikaru in die Arme gelaufen, wäre es niemals soweit gekommen“, fuhr Gabriel mit dünner Stimme fort. Vincent konnte nur stumm danebensitzen. Er kannte Gabriel gut genug, um zu wissen, was in diesem vorgehen musste. In Gabriels Fall war es immer besser gewesen, wenn er sich aktiv aufregte, anstatt alles still zu zerpflücken. „Jiro hatte mich oft genug vor Hikaru gewarnt. Aber ich wollte ja nicht hören.“
Vincent griff nach Gabriels Hand und drückte diese, um ihm klar zu machen, dass nichts von dem, was geschehen war, seine Schuld war.
„Das alles war ein unglücklicher Zufall. Du bist Hikaru doch nicht absichtlich in die Arme gelaufen.“ Ganz so sicher, ob es wirklich Zufall war, war sich Vincent nicht. Auch sprach er nicht aus, dass Jiro seinen eigenen Tod auf eine seltsame Weise selbst herbeigeführt hatte. Noch immer liefen Vincent kalte Schauer über den Rücken, wenn er an die wütenden Worte dachte, die Jiro Hikaru entgegen geworfen hatte. Was Vincents Meinung anging, so hatte es Jiro darauf angelegt zu sterben und dann war es einfach passie rt. In seinen Augen trug Jiro die Schuld und ganz sicher nicht Gabriel.
„Aber ich hätte es bedenken müssen. Er hatte mir schon vor Tagen klar gemacht, dass er Jiro stürzen wollte und ich –“ Gabriel schluchzte auf und sprach nicht weiter. Sein ganzer Körper wurde von Weinkrämpfen geschüttelt, die Vincent hilflos werden ließen. So kannte er seinen Freund nicht und sein Geschick im Trösten war so gut wie nicht vorhanden. Er ließ Gabriels Hand los, beugte sich über das zusammengerollte Bündel und umarmte ihn auf ungeschickte Weise.
„Es ist nicht deine Schuld.“ Vincent bemühte sich, so überzeugend wie möglich zu klingen. Nur wollte ihm das kaum gelingen, da seine eigene Stimme ebenfalls schwankte. „Du hättest nichts machen können.“ Offensichtlich waren das die falschen Worte, da Gabriels Schluchzen nur noch stärker wurden und die Hilflosigkeit in Vincent schon fast die Grenze zur Panik stürmte. Was war er bloß für ein Freu nd, dass er Gabriels Schmerz nicht lindern konnte und stets das Falsche sagte?
Darum war er auch sehr dankbar, als es an der Tür klopfte und Kira den Kopf ins Zimmer streckte. Vorsichtig lugte er in den Raum und wahrscheinlich wäre er auch wieder gegangen, wenn er Vincents verzweifelten Blick nicht aufgefangen hätte. Die Scheu, die er nach ihrer Heimkehr an den Tag gelegt hatte, war fort. Zu Vincents Erleichterung setzte er sich zu ihnen. Er war im Umgang mit Gabriel geschickter. U nter sanften Worten und Streicheln schlief Gabriel abermals ein.
Leise verließen sie das Zimmer und schlossen die Tür. Im Flur blieben sie jedoch wie zwei Fremde voreinander stehen. Vincent stopfte die Hände in seine Hosentaschen, bevor er noch einen Blick zur Tür warf.
„Vielleicht sollte ich ihn wieder zurück nach London bringen.“ Er wusste nicht, ob das eine gute Idee war. Denn ob Gabriel einen so langen Flug überstehen würde, war fraglich. Aber ihn hier zu lassen, wo alles so nah und greifbar war, erschien i hm als keine gute Lösung.
„Nein, tu das nicht. In seinem Zustand sollte er sich ausruhen und nicht lange Reisen unternehmen. Außerdem würde er dort alleine in seiner Wohnung sein.“ Damit hatte Kira natürlich recht und Vincent rieb sich über das Kinn.
„Er könnte bei mir wohnen, solange es ihm nicht besser geht.“ Vincent versuchte sich Gabriel in seiner chaotischen Wohnung vorzustellen.
„In deiner kleinen Wohnung, wo er nicht einmal ein Zimmer für sich hätte? Nein, hier ist es besser.
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