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YANKO - Die Geschichte eines Roma

YANKO - Die Geschichte eines Roma

Titel: YANKO - Die Geschichte eines Roma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anžy Heidrun Holderbach
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hin und fühlte sich plötzlich hundeelend. „Hey, das war doch nicht deine Schuld!”, begann Yanko, doch Keith fiel ihm ins Wort. „Ich weiß, aber ich habe auch nichts dagegen unternommen... Ich hätte sie fragenkönnen... Ich hätte...“ Yanko beugte sich vor und legte seinem Bruder eine Hand auf die Schulter. „Hey, alles ist gut! Ok? Mach dir deswegen bitte keinen Kopf!”, versuchte er Keith zu beruhigen, denn für ihn war es tatsächlich so. Sein Bruder konnte da ja wohl am allerwenigsten dafür.
    Keith schüttelte jedoch langsam den Kopf und kämpfte gegen den aufkommenden Schmerz, den er schon so lange mit sich herumschleppte, aber noch nie formuliert hatte. Yanko stand auf einmal auf, ging zum Tresen und bezahlte für beide. „Komm, lass uns zu mir fahren! Dort können wir besser reden!” sagte er zu seinem Bruder, als er zurück am Tisch war. Keith nickte nur, und sie verließen gemeinsam den Pub.
    Eine halbe Stunde später saßen sie bei Yanko auf der Veranda und rauchten. Keith hatte ein weiteres Bier vor sich stehen und Yanko eine Flasche Wasser. Sie schwiegen eine Weile, in der Yanko seinen Bruder unentwegt ansah und sich versuchte vorzustellen, wie es ihm eigentlich tatsächlich damals ergangen war. Schließlich wendete sich Keith Yanko vollständig zu und schaute ihm in die Augen. „Es hat mir das Herz gebrochen! Dich da am Bahnhof stehen zu sehen, mit dem Rucksack auf dem Rücken und dem Seesack neben dir... Ich wusste nicht, was ich tun sollte...“ Keith liefen plötzlich die Tränen. Er wischte sie hastig weg und hatte Mühe weiterzusprechen. „Das Loch ist immer noch hier drin...“, sagte er und legte seine Hand auf sein Herz. „Ich habe es nur lange vermieden zu spüren... Ich habe mich so geschämt... Ich habe dich verraten!“ Yanko machte seine Zigarette aus und beugte sich vor. Eindringlich sagte er zu ihm: „Du hast mich nicht verraten! Niemand hat das! Es war eben so! Natürlich habe ich mich erst beschissen gefühlt... und verlassen... und keine Ahnung... aber jetzt ich bin hier, und wir sind wieder zusammen. Das ist wichtig!“ „Ja sicher, das ist wunderbar!...Und trotzdem habe ich immer noch ein schlechtes Gewissen! Mum übrigens auch. Sie hat es mir mal gesagt... Damals als es dir so schlecht ging... Damals als Fam gestorben war... Sie sagte, dass sie sich das nie verzeihen würde, dich allein zurückgelassen zu haben. Sie könne überhaupt nicht verstehen, warum sie das überhaupt getan habe.”
    Yanko war sehr erstaunt über das, was er da gerade gehört hatte. Er lehnte sich zurück und fuhr sich durch die Haare. „Hey Bruder, wir hatten damals kein Geld!”, begann er. „Und außerdem war es ja nicht nur Scheiße dort! Ich hatte ein Dach über dem Kopf, was zum Anziehen und gutes Essen! Ich hab’ Deutsch gelernt und einen Schulabschluss! Mir ging es von der Seite her sehr gut! Und... Ich habe zwei wundervolle Geschenke erhalten: Stefan und Fam! Das war es allemal wert!“ Keith zündete sich zitternd noch eine Zigarette an. „Ja klar! Das ist natürlich wirklich toll!... Aber Fam ist tot!” „Ja... aber Stefan lebt! Und mit Fam hatte ich wunderbare und erfüllte zehn Jahre! Auch wenn es mir hunderte Male das Herz gebrochen hat, ich würde es wieder tun!“
    Keith nickte langsam, wie wenn er ein bisschen von dem annehmen konnte, was Yanko ihm da gerade erzählt hatte. „Ich hatte manchmal das Gefühl, dass du mir die Schuld gibst, Fam überhaupt getroffen zu haben... Da hat mir wohl mein schlechtes Gewissen einen Streich gespielt!” „Allerdings! Ich bereue, was Fam angeht, keine Minute, keine Sekunde... gar nichts!!! Keith, sie war alles für mich... Sie und ich, das war der Himmel auf Erden!” Yanko versuchte den aufkommenden Schmerz in den Griff zu bekommen und konnte sich diesmal relativ schnell wieder fangen. Keith nickte. „Ja, ich weiß! So war es! Und ist es noch, oder? Hast du jemals wieder etwas Ähnliches für jemanden empfunden?” „Kann ich nicht so genau sagen. Irgendwie ja und irgendwie nein...“, sagte Yanko und musste dabei an Mala denken. Was war es nur gewesen,was ihn bei ihr so an Fam erinnert hatte? Ihr Aussehen war es jedenfalls nicht gewesen. Nein, es war die Energie, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, und die sie gemeinsam erlebt hatten. Sie konnte auch so herrlich offen sein und einfach geschehen lassen, was geschehen mag, ohne etwas zu forcieren oder zu erzwingen. Aber er hatte das auf Dauer nicht ausgehalten. Sie war eben

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