YANKO - Die Geschichte eines Roma
gefühlt.
So war es jeden Tag in den guten Zeiten, und für die beiden Brüder war es nichts Besonderes gewesen. Es war ihnen damals nicht bewusst gewesen, dass sie dieses Leben sehr liebten und brauchten. Sie hatten nichts anderes gekannt. Hier waren sie frei und doch geborgen gewesen.
Nachts hatte Yanko die meiste Zeit neben den Pferden im Pferdezelt geschlafen. Im Stroh hatte er sich schon als Kind sehr wohl gefühlt, und der warme Geruch, der von den Pferden ausging, wirkte immer beruhigend auf ihn. Selbst der Wohnwagen war für ihn zu geschlossen gewesen. Aber er hatte es geliebt, abends im Wohnwagen mit seiner Familie zusammen zu sein, zu essen und zu erzählen. Mit sechzehn hatte er dann überhaupt das erste Mal in einem Hausgeschlafen, um schon nach ein paar Tagen sämtliche Scheunen und Parks in der Umgebung aufzusuchen.
Es hatte Jahre gedauert, bis er schließlich in einem normalen Bett in einem Haus gut schlafen konnte. Damals hatte er es Fam zuliebe getan, und mit der Zeit hatte er sich schließlich daran gewöhnt. Aber manchmal zog es ihn immer noch in den Stall zu den Pferden, besonders wenn er sich nicht wohlfühlte.
Und Keith erinnerte sich lebhaft an den Tag, als der Mann mit der Aktentasche gekommen war und er mit Yanko draußen gesessen hatte und sich nicht vorstellen konnte, was aus ihnen werden sollte. Sie waren Artisten, und Yanko, der so anmutig ritt und so sicher am Trapez hing, wie er kaum jemand anderen gesehen hatte, konnte er sich beim besten Willen nicht in irgendeiner Fabrik am Band vorstellen.
Drei Tage später waren sie dann im Zug gesessen und hatten Yanko schließlich in Deutschland seinem Schicksal überlassen. Er konnte sich noch ganz genau an den Geruch erinnern, der sie die ganze Zeit über auf der Reise von Spanien nach Deutschland in dem Zugabteil begleitet hatte, und es würgte ihm im Hals.
Damals war Yanko sechzehn und er selbst gerade achtzehn Jahre alt gewesen. Minerva hatte ihnen gegenüber gesessen und die ganze Zeit über mit leerem Blick aus dem Fenster gestarrt. Als sie schließlich in Freiburg angekommen waren, wollte sie überhaupt nicht aussteigen, doch der Schaffner war irgendwann gekommen und hatte sie aus jeglicher Hoffnung gerissen. Es hatte in Strömen geregnet, als sie auf dem Bahnsteig das schon etwas ältere Ehepaar entdeckten, und das sie dann sehr distanziert per Handschlag begrüßte. Keith erinnerte sich noch ganz genau an den Blick der Frau und fragte sich, wie der Mann neben ihr es geschafft hatte in ihrer Anwesenheit nicht zu erfrieren.
Yanko hatte einen Rucksack auf dem Rücken getragen und einen Seesack neben sich stehen. Die vier Koffer von Keith und Minerva waren etwas abseits gestanden. Minerva hatte dem Ehepaar ein paar Papiere übergeben und dabei unaufhörlich geweint. Auf dem anderen Gleis war dann plötzlich ihr Zug nach Frankfurt viel zu zeitig eingefahren. Minerva hatte hektisch in ihrer Handtasche genestelt und seinem Bruder noch einen Zettel mit der Telefonnummer von ihrem Onkel John Melborn in den USA in die Hand gedrückt.
Die ganze Zeit über hatte Yanko nur fassungslos auf den Boden gestarrt, und Keith hatte still mit den Tränen gekämpft, und dann hatte Minerva Yanko in die Arme genommen und ihm eindringlich, aber doch so laut, dass Keith es mitbekam, zugeflüstert: „Sobald ich Arbeit habe, hole ich dich auch nach Sheddy. Es dauert bestimmt nicht lange! Es geht leider nicht anders... Es tut mir leid! Pass auf dich auf! Ja?! Gott ist mit dir!“ Keith hatte Yanko nur apathisch nicken sehen und war dann mit seiner Mutter in den Zug gestiegen. Dort stellten sie sich ans Fenster. Er hatte gesehen, wie Minerva die Tränen heruntergelaufen waren, und wie ihre Hand an der Fensterscheibe geklebt hatte. Dann war der Zug abgefahren, und Yanko und der Bahnhof waren schnell verschwunden gewesen.
A ußer Reiten kam für Manuel sonst nur Fußball in Frage, und am liebsten kickte er mit seinem Papa. Der konnte sich so wunderschön auf den Boden schmeißen, und außerdem schimpfte er nicht, wenn er sich die Hosen zerriss. In Newly gab es wenigstens einen richtig schönen Bolzplatz mit richtigen Toren. Die Bolzplatzsituation fand Manuel übrigens an Nordamerika überhaupt nicht gut, denn es gab viel zu wenig Plätze auf denen man richtig Fußball spielen konnte. Überall gab es nur Basketballfelder, Baseball- oder Tennisplätze. Er war froh, dass sein Vater die richtigen Fußballregeln kannte und offenbar wirklich Spaß daran hatte mit
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