YANKO - Die Geschichte eines Roma
nicht erzählt hätte. Hätte er das wirklich? Er wusste es nicht.
„Nein... Ich liebe meine Kinder!“, begann er. „Ich bin gerne mit ihnen zusammen! Das ist sogar das, wo ich mich am besten fühle... Da bin ich ruhig. Alles was ich mache, gefällt mir ja und trotzdem... Ich fühle mich irgendwie rastlos und leer.“ Er zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in die Luft. „Vielleicht sollten wir doch zusammenziehen, damit du nicht mehr so viel herumreisen musst! Vielleicht fühlst du dich deswegen so zerrissen?!“, schlug Janina vorsichtig vor und war froh, dass er heute offenbar gewillt war ein bisschen zu reden. Yanko schaute ihr lange in die Augen und versuchte zu spüren was er wollte. Eigentlich wusste er es nicht, und er fühlte sich tatsächlich hin und her gerissen. Schließlich nahm er ihre Hand und sagte leise zu ihr: „Janina, ich glaube nicht, dass das gut gehen würde. Ich bin in Sheddy zu Hause, und da sind auch meine Kinder. Ich kann in einer Großstadt nicht leben. Ich muss draußen sein, in der Natur, mit den Pferden. Und du bist ein Stadtmensch, hmm? Ich bin gerne ab und zu hier... Klar, wenn ich in Sheddy bin, vermisse ich dich... und wenn ich hier bin vermisse ich Sheddy... Ach, vergiss es!“
Er lehnte sich zurück und winkte genervt mit einer Hand ab. Er war von sich selbst genervt. Immer wieder das Gleiche, dachte er wütend. „Ich weiß es einfach nicht!... Komm, wir müssen los!”, würgte er plötzlich das Gespräch ab und stand auf. Janina seufzte, und dann räumten sie schnell den Tisch ab, denn sie waren tatsächlich schon ziemlich spät dran.
B ei Sonnenaufgang ritt Yanko auf seinem Pinto ohne Sattel langsam den Berg hinauf. Er setzte sich auf einer Anhöhe auf einen großen Stein und ließ seinen Blick über die Landschaft gleiten.
Gedankenverloren rieb er sich dabei die Innenseite seiner rechten Hand, und wie wenn dort alle Erinnerungen an den Überfall von damals gespeichert worden wären, kam ihm plötzlich in Zeitlupe haarscharf jede Kleinigkeit davon in den Sinn zurück, und er zuckte unwillkürlich zusammen, als Ken Wilson ihm die Mistgabel in die Hand rammte. Manchmal konnte er mit dieser Hand nicht einmal mehr Brot abschneiden.
Er saß noch eine Weile da und versuchte die Landschaft zu genießen und ärgerte sich, dass ihm das nicht gelingen wollte. Er konnte sich einfach nicht entspannen. Genervt schwang er sich wieder auf den Pferderücken und galoppierte dem stinkenden, modrigen und faulen Geruch davon, den er auf einmal in der Nase hatte.
E s war wieder Donnerstag und somit Zeit für das traditionelle Familientreffen bei den Melborns. Es gab zwar keine Anwesenheitspflicht, aber jeder kam gerne, und Yanko freute sich immer wieder darauf, obwohl er ja sonst eher nicht so traditionsbewusst war. Vor allem liebte er es, wenn der Abend bis tief in die Nacht andauerte und dann auch noch gesungen und getanzt wurde.
Heute waren Yanko, Manuel, Jenny, Kenia, Keith, Mabel, deren zwei Söhne Janis und Andy, Stefan, Cecilia, Minerva, John, Mary, deren zwei Söhne Richard und Dean, Marianna und ihre Kinder Jamie und Frank um den großen Tisch beim Abendessen versammelt.
Alle Erwachsenen außer Yanko tranken Wein, und Keith trank heute besonders schnell und war schon leicht betrunken, bevor der Hauptgang kam. Yanko hatte Kenia auf dem Schoß, und sie aß stolz eine Kartoffel mit der Hand. Yanko amüsierte sich köstlich und alle anderen schauten auch belustigt zu Kenia, die es natürlich sehr genoss im Mittelpunkt zu stehen.
Später legte Yanko seine Tochter auf das Sofa im Wohnzimmer und deckte sie zu, und bald darauf schlief sie zufrieden ein. Keith kam herein und schmunzelte über Mama Yanko. Er konnte es einfach nicht verstehen, dass Yanko sich um seine Tochter kümmerte, während die Mutter sich am selben Ort aufhielt. Für ihn blieben Kinder Frauensache, aber er hatte es aufgegeben mit Yanko darüber zu diskutieren. Auch das sein Bruder gerne kochte, konnte er nicht nachvollziehen. Allerdings musste er ihm zugestehen, dass er verdammt gut kochen konnte, wohingegen sich seine eigenen Kochkenntnisse auf Fleischgrillen am Lagerfeuer begrenzten. Sein Bruder war diesbezüglich schon immer anderer Meinung gewesen und bezeichnete ihn immer als alten, verbohrten Traditionsmacho, wenn er mit diesem Thema anfing.
Beide verließen leise das Wohnzimmer und gingen zusammen hinüber in Keiths Arbeitszimmer und schlossen die Tür hinter sich. „Das war mal wieder ein
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