Yeager
durchzuschlagen. Aber der bereits gefaßte Entschluß hatte in einer Krise mehr Gewicht, hatte es immer. Man machte einen Plan, und besonders dann, wenn es zum Schlimmsten kam, hielt man sich daran, man durfte vor allen Dingen nicht die Nerven verlieren und etwas Dummes tun. »Gut«, sagte sie und schwenkte die Hand gegen die Aufzüge an der anderen Seite der Dockanlagen. »Gut. Bringen wir diese Sache in Ordnung.«
Sie war jedoch am Rand einer Panik. Jetzt war sie sich gar nicht mehr sicher, ob das, was sie sich zu tun vorgenommen hatte, richtig war. Sie mißtraute automatisch gefaßten Entscheidungen, sie wollte erst nachdenken, sicher sein, aber, o Gott, sie saß in der Patsche, das wußte sie nur zu genau, und das bedeutete, daß sie es mit Stationsleuten zu tun bekam. Und Stationsleute handelten nach Regeln, die keinen Sinn ergaben, jede Station war in dem, was sie erlaubte und wie sie funktionierte, exzentrisch und nicht voraussagbar.
Sie kannten also ihr Gesicht. Das bedeutete, sie hatten ihr Bild von der Karteikarte genommen, von dieser Karte, die sie ausgefüllt hatte, als sie die Formalitäten der Einwanderung nach Thule erfüllen mußte und ihre vorläufige Karte bekommen hatte. Sie hatten ihre Fingerabdrücke, sie hatten eine Raumfahrerin mit einem blauen Auge und einer Menge Kratzer, und sie hatten eine sehr tote Leiche in einem Zimmer, in dem sie letzten Endes noch viele weitere Fingerabdrücke von ihr finden würden…
Das würde Zeit kosten. Die Frage, die erste Frage war, ob sie die Tür dort aufbrechen würden, ob sie die Verbindung zu Ritterman überhaupt hergestellt hatten, ob sie im Augenblick die Macht hatten, sich von der Justizbehörde der Station einen Haftbefehl ausstellen zu lassen, mit dem sie sie ins Krankenhaus bringen und unter Beruhigungsmitteln verhören konnten.
Danach würden zwei Tote eins ihrer kleineren Probleme sein.
Die beiden Männer führten Bet einen weiten Weg quer über die Docks, bestiegen mit ihr einen für Dienstgebrauch reservierten Aufzug und schössen geradenwegs zu Thules kleinem Abschnitt Blau hoch. Dann ging es nur noch ein Stockwerk nach oben und einen Korridor entlang zu angsteinflößenden kleinen Büros.
»Ausweis«, befahl der Beamte am Schreibtisch, und Bet reichte ihm ihre vorläufige Karte. »Papiere«, verlangte er als Nächstes, was ihr mehr Furcht einjagte als alles andere. Dieser kleine Aktendeckel war alles, was sie hatte. Aber sie hatten das Recht, danach zu fragen, und sie hatten das Recht, ihre Papiere zurückzubehalten, bis sie zufriedengestellt waren. Sie sagten, sie würden ihren Matchsack hinter dem Schreibtisch aufbewahren, da sei er in Sicherheit. Sie forderten Bet auf, sich hinzusetzen, und ließen sie einen Fragebogen ausfüllen, der Punkte enthielt wie:
Gegenwärtige Anschrift
und
Augenblickliches Arbeitsverhältnis
und Letztes davorliegendes Arbeitsverhältnis: Datum.
Sie bohrten tiefer und tiefer. Sie wollten Dinge wissen, die Bet nicht beantworten konnte – zum Beispiel, wie der Saldo ihres Kreditkontos aussehe und wo Quittungen seien, die bewiesen, daß sie seit dem Verlassen der
Ernestine
Bargeld ausgegeben habe.
Sie wollten, daß sie Stationsleute als Referenzen nannte. Sie gab die Namen von Nan und Ely an.
In ihrer Verzweiflung behauptete sie, bei Nan gewohnt zu haben. Vielleicht deckte Nan sie. Etwas anderes war ihr nicht eingefallen.
Gott, wenn sie die genaue Anschrift nennen sollte… Nan wohnte in Grün, Bet erinnerte sich, daß Nan und Ely einmal darüber gesprochen hatten.
Geschätztes Einkommen in diesem Monat,
stand da. Bet rechnete und schrieb hin: 25
Cred.
Sie hatte aufaddiert, was sie aus Ritterman, aus dem Dockarbeiter, aus Ely herausgeholt hatte. Sie mußte lügen, aber ihr sprang die nächste Frage ins Auge, und die bot einen Fluchtweg aus sämtlichen Fallen.
Andere Einkommensquellen.
Nan Jodree,
schrieb Bet.
Zimmer und Verpflegung, auch Bareid für Putzen und Botengänge.
Sie sah auf die Uhr. 27.20. Sie schwitzte. Die letzte Antwort machte sie zu einer Legalen. Wenn Nan ihr Rückendeckung gab – und sie setzte einiges Vertrauen darauf, daß Nan es tun würde – , konnte man sie nicht mehr wegen der wahrscheinlichsten Anklage des illegalen Verbrauchs festhalten, und unter dieser Anklage würde man sie festhalten wollen, bis alles andere überprüft war.
Falls es auf Thule legal war, für Privatpersonen zu arbeiten.
Falls Nan nicht in Panik geriet und/oder auf eine Fangfrage hereinfiel und sie, ohne
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