Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
Tischen, die von Wand zu Wand aufgebaut waren.
„Wenn die Schule erst einmal anfängt, essen Schüler, Lehrer und Zauberer hier gemeinsam“, erklärte Irys.
Sie stellte mich den beiden Männern und der Frau vor, die gerade frühstückten. Es waren Gärtner, die Pause machten – nur ein winziger Teil der Mannschaft, die benötigt wurde, um die Grünanlagen in Schuss zu halten.
Während des Frühstücks steckte ich mir einen Apfel für Topaz in die Tasche, und danach zeigte Irys mir ihre Räume. Es kam mir vor, als hätten wir Millionen von Stufen erklommen und zehn Stockwerke unter uns gelassen, ehe wir in der obersten Etage ankamen. Die Fenster des runden Zimmers reichten vom Fußboden bis zur Decke. Lange Samtvorhänge bauschten sich in der warmen Brise. Farbenprächtige Kissen und Sofas in Blau, Purpurrot und Silber zierten den lichtdurchfluteten Bereich. Überall standen Bücherregale, und in der Luft lag ein Aroma von frischen Zitronen.
„Mein Meditationszimmer“, erklärte Irys. „Die perfekte Umgebung, um Kraft zu tanken und zu lernen.“
Ich trat ans Fenster und schaute hinaus. Sie hatte einen fantastischen Ausblick auf den Bergfried. In nordöstlicher Richtung konnte ich sanft geschwungene, mit kleinen Dörfern gesprenkelte grüne Hügel sehen.
„Das ist ein Teil des Landes, das dem Featherstone-Clan gehört“, sagte Irys, die meinem Blick gefolgt war. Sie deutete in die Mitte des Raumes. „Setz dich. Lass uns gleich anfangen.“ Sie nahm im Schneidersitz auf einem purpurroten Kissen Platz.
Ich setzte mich ihr gegenüber auf ein blaues Kissen. „Aber mein Streitkolben …“
„Deinen Streitkolben wirst du nicht brauchen. Ich zeige dir, wie du ohne physischen Kontakt deine Kraftquelle anzapfen kannst. Diese Kraftquelle umgibt die Erde wie eine Hülle. Daraus kannst du dir einen Faden zupfen, deinem Körper einverleiben und ihn benutzen. Aber nimm nicht zu viel, sonst zieht sich die Hülle zusammen und schlägt Wellen, sodass einige Gegenden überhaupt keine und andere über viel zu viel Energie verfügen. Man sagt, dass es Orte gibt, über denen die Hülle voller Löcher ist, Gegenden also ohne die geringste Energie, aber ich habe noch keine entdeckt.“
Ich spürte die Energie, die von ihr ausging. Sie hob die Hand und sagte: „Venettaden.“
Die Energie drang in mich ein. Meine Muskeln erstarrten. Voller Panik starrte ich sie an.
„Schiebe sie fort“, forderte sie mich auf.
Ich dachte an meine Ziegelwand, aber ich wusste, dass sie ihrer Stärke nicht widerstehen konnte. Noch einmal errichtete ich die Wand aus Marmor und unterbrach den Energiestrom. Meine Muskeln entspannten sich.
„Sehr gut“, lobte sie. „Ich habe eine Energielinie genommen und zu einer Kugel geformt. Die habe ich dann mit einem Begriff und einer Handbewegung zu dir geschickt. Wir bringen den Schülern bestimmte Wörter und Gesten zu Übungszwecken bei, aber eigentlich kannst du alles benutzen, was du möchtest. Es hilft dir bloß, deine Kräfte zu konzentrieren. Nach einer Weile wirst du die Begriffe nicht mehr benötigen, um die Magie anzuwenden. Du handelst ganz instinktiv. Und jetzt bist du an der Reihe.“
„Aber ich weiß doch gar nicht, wie man einen Energiefaden zieht. Bisher habe ich mich immer darauf konzentriert, wie sich das Holz meines Streitkolbens anfühlt. Dann lösen sich meine Gedanken irgendwie von mir, und ich klinke mich in ein anderes Bewusstsein ein. Wieso funktioniert das?“
„Die Fähigkeit, Gedanken zu lesen, ist ein weiterer Energiefaden, der zwei Geister miteinander verknüpft und eine Verbindung herstellt. Wenn diese Verbindung erst einmal aufgebaut ist, bleibt sie immer bestehen, und es ist ganz leicht, sie zu reaktivieren. Nimm zum Beispiel die Verbindung zwischen uns beiden und zwischen dir und Topaz.“
„Und Valek“, ergänzte ich.
„Ja, auch Valek. Obwohl die Verbindung zwischen euch eher eine Sache des Unterbewussten sein muss, da er unempfänglich für Magie ist. Hast du denn jemals seine Gedanken gelesen?“
„Nein. Aber ich habe es auch nicht versucht. Irgendwie habe ich immer gewusst, was er fühlte.
„Ein Überlebensinstinkt. Das ist durchaus einleuchtend, wenn man seine Stellung in Ixia bedenkt. Immerhin hat er täglich aufs Neue darüber entschieden, ob du weiterleben darfst oder sterben musst.“
Nur zu gut erinnerte ich mich an die Schwierigkeiten, mit denen ich in Ixia zu kämpfen hatte. „Mein Überlebensinstinkt hat mich ein paarmal gerettet“,
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