Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
die auf dem Tisch lag. Sitia war in elf Bereiche aufgeteilt, in dem jeweils ein Clan herrschte. Städte und Dörfer waren ebenso markiert wie die Orte, an denen man die anderen Mädchen gefunden hatte. In manchen Städten gab es zwei Opfer; andere dagegen waren verschont geblieben. Es war mir unmöglich, ein Muster zu erkennen.
„Die einzige Übereinstimmung gibt es bei den Opfern“, erklärte Bain. „Bei allen handelt es sich um unverheiratete Mädchen zwischen fünfzehn und sechzehn Jahren. Alle wurden zwölf bis vierzehn Tage lang vermisst. Alle verschwanden nachts. Einige wurden sogar aus dem Schlafzimmer entführt, das sie sich mit ihren Geschwistern teilten. Und es gibt keinen einzigen Zeugen.“
Mein erstes Gefühl, dass Zauberei im Spiel war, behielt ich für mich. Vor vier Meister-Magiern wollte ich das lieber nicht erwähnen.
„Wir haben bereits einen Zauberer als Verbrecher in Betracht gezogen“, sagte Irys. „Die Alibis der Magier, die ihr Examen an unserer Schule abgelegt haben, sind von uns schon alle überprüft worden. Wir sehen uns aber außerstande, all diejenigen zu vernehmen, die nur über beschränkte Fähigkeiten verfügen.“
„Beschränkte Fähigkeiten?“, fragte ich.
„Es gibt Magier, die gerade so viel Zauberkraft haben, dass sie eine Kerze entzünden können und zu nichts anderem in der Lage sind“, erklärte Irys. „Diese Leute kommen nicht in den Bergfried, aber sie setzen ihr Talent in der Regel für wohltätige Zwecke ein. Einige allerdings auch, um Verbrechen zu begehen. Meistens sind es geringfügige Vergehen. Möglicherweise besteht die einzige Fähigkeit des Mörders darin, sich unsichtbar zu machen oder sich vollkommen geräuschlos zu bewegen. Irgendetwas, das ihm ein Gefühl von Macht gibt, wenn er ein Mädchen entführt.“
Irys’ besorgte Miene nahm einen Ausdruck von grimmiger Entschlossenheit an. Diesen Blick kannte ich nur zu gut, und er verursachte mir ein leichtes Unwohlsein in der Magengegend. Genauso hatte sie auch in Ixia ausgesehen beim Versuch, mich zu töten.
„Wir ziehen allerdings auch die Möglichkeit in Betracht, dass wir es mit einem verbrecherischen Zauberer zu tun haben“, ergänzte Bain. „Die Geschichte ist voll von ihnen. Auch die jüngere Geschichte.“ Er nickte mir zu. „Demnächst musst du mir einmal von Kangoms Missetaten in Ixia erzählen und von seinem Ende. Ich möchte seine Verbrechen in die Geschichtsbücher aufnehmen.“
Verwirrt schaute ich ihn an, und es dauerte eine Weile, bis mir einfiel, dass Kangom bei seiner Flucht nach Ixia seinen Namen in Mogkan geändert hatte.
„Und da wir gerade von Büchern sprechen“, fuhr Bain fort. „In meinem Studierzimmer warten einige auf dich.“ Er drehte sich zu Roze um. „Sind wir hier fertig?“
Sie nickte kurz.
Die anderen Zauberer machten Anstalten zu gehen. Nur Zitora blieb am Tisch stehen und fuhr mit dem Finger über die Landkarte von Sitia.
„Irys, hast du Tulas Fundort schon eingetragen?“, wollte sie wissen.
„Nein.“ Irys nahm einen Federhalter zur Hand und tauchte die Spitze in eine Flasche mit roter Tinte. „Über all dem Trubel habe ich das total vergessen.“ Sie markierte die Stelle und trat einen Schritt zurück. „In zehn Tagen bin ich wieder hier. Bitte benachrichtigt mich, wenn etwas passiert. Yelena, du arbeitest weiter an deiner Kontrolle.“
„Jawohl, Sir!“, sagte ich.
Lächelnd verließ Irys den Raum. Ich warf einen Blick auf die Karte, um zu sehen, wie weit Booruby von der Zitadelle entfernt lag. Die rote Tinte war noch nicht eingetrocknet. Tulas Heimatstadt befand sich am westlichen Rand des Avibian-Plateaus. Captain Marroks Bemerkung, das Hochplateau sei riesig, hatte ich zunächst für eine Übertreibung gehalten, aber auf der Karte war zu erkennen, dass es tatsächlich den Osten von Sitia beherrschte.
Beim Blick auf die anderen roten Markierungen musste ich unwillkürlich einen Laut von mir gegeben haben, denn Zitora packte mich am Arm.
„Was ist denn?“, fragte sie.
„Ein Muster. Seht Ihr?“ Ich zeigte auf die Karte. „Alle markierten Orte liegen an der Grenze zum Avibian-Plateau.“
Die anderen kamen zum Tisch zurück.
„Ein neuer Blick“, bemerkte Bain anerkennend.
„Das ist doch jetzt, wo die Karte auf den neuesten Stand gebracht ist, ziemlich offensichtlich“, sagte Roze. Sie klang ziemlich verärgert.
„Hat man das Plateau durchsucht, nachdem die Mädchen vermisst wurden?“, fragte ich.
„Niemand begibt sich
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