Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
freiwillig dorthin“, erwiderte Zitora. „Der Sandseed-Clan mag keine Besucher, und ihre seltsame Zauberei kann einem den Verstand verwirren. Man geht ihnen am besten aus dem Weg.“
„Nur die Zaltanas sind bei den Sandseeds gern gesehen“, ergänzte Roze. „Vielleicht könnten Yelena und Leif sie besuchen und nachforschen, ob irgendetwas nicht in Ordnung ist.“
„Es besteht kein Grund zur Eile“, wehrte Bain ab. „Wir warten lieber, bis Irys mit Tulas Schwester zurückkehrt. Vielleicht wacht Tula bis dahin auf und identifiziert ihren Angreifer. Das würde uns sehr viel helfen.“
„Und wenn in der Zwischenzeit noch ein Mädchen entführt wird?“, fragte Leif. Seine schlechte Laune hatte noch zugenommen. Entweder regte ihn der Gedanke an ein weiteres Opfer auf, oder ihm missfiel die Aussicht, erneut mit mir reisen zu müssen.
„Dann werden wir einen bewaffneten Suchtrupp zum Plateau schicken, egal, ob er willkommen ist oder nicht“, schlug Bain vor.
„Aber es könnte zu spät sein“, wandte ich ein.
„Wir haben noch Zeit.“ Zitora zupfte an einem ihrer Zöpfe. „Da ist nämlich noch ein anderes Muster, das wir entdeckt haben. Er behält die Opfer zwei Wochen in seiner Gewalt, und dann wartet er vier weitere, ehe er sich ein neues holt.“
Der Gedanke an ein weiteres Opfer ließ mich erschauern. Vor meinem inneren Auge stiegen entsetzliche Bilder auf. „Und wenn er zum Bergfried kommt, um sein Werk zu vollenden? Tula könnte in Gefahr sein.“
„Er soll ruhig kommen.“ Rozes Stimme klang eiskalt vor Entschlossenheit. „Ich werde mich schon um ihn kümmern.“
„Erst mal müssen wir ihn dingfest machen.“ Mit seinem knochigen Finger klopfte Bain auf den Tisch. „Und wir müssen Wachen in Tulas Zimmer postieren.“
„Aber wir sind mitten in der heißen Jahreszeit und haben kaum Leute“, wandte Zitora ein.
„Ich sage Cahil, dass er ein paar seiner Leute abkommandieren soll“, erklärte Roze. „Er steht ohnehin in meiner Schuld.“
„Lass sie sofort kommen, Roze“, forderte Bain sie auf. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Komm, Yelena. Es gibt viel zu tun für uns.“
Ich folgte Bain aus dem Zimmer und über den Korridor.
„Du hast eine scharfe Beobachtungsgabe, Mädchen. Allmählich verstehe ich auch, warum Irys es vorgezogen hat, dich nicht zu töten.“
„Hat Irys jemals vorgehabt, jemanden umzubringen?“, fragte ich. Cahils Bemerkung, dass ich nicht die Erste war, die Irys aus Ixia gerettet hatte, ging mir durch den Kopf.
„Manchmal lässt es sich nicht vermeiden. Es ist natürlich immer die schlechteste Wahl, aber Irys weiß recht gut damit umzugehen. Sie hat die einmalige Gabe, ein Herz zum Stillstand zu bringen, ohne dass sein Besitzer Angst oder Schmerzen empfindet. Roze hat das Talent übrigens auch, aber sie ist viel zu grob. Sie kümmert sich bevorzugt um Kriminelle und ähnliches Gesindel. Leif hilft ihr bei ihren Nachforschungen und Verhören. Während seiner Ausbildung im Bergfried haben die Meister entschieden, dass seine ungewöhnlichen Fähigkeiten auf diesem Gebiet am effektivsten eingesetzt werden können. Zitora dagegen würde eher sterben, als einem anderen etwas anzutun. Ich habe nie einen liebevolleren Menschen getroffen.“
Bain blieb vor einer Tür stehen und schloss sie auf. Mit einer Handbewegung ließ er mir den Vortritt in seine Studierstube. Beim Eintreten sprangen mir die irritierende Farbenvielfalt, eine gigantische Ansammlung von Apparaturen aller Art und zahllose, mit Büchern vollgestopfte Regale ins Auge.
„Und welchen Rang nehmt Ihr in der Gruppe der Magier ein, Sir?“, fragte ich ihn.
„Ich lehre. Ich führe. Ich höre zu.“ Er stapelte einige Bücher aufeinander. „Ich beantworte Fragen. Ich lasse den jüngeren Magiern bei Aufträgen den Vortritt. Ich erzähle Geschichten aus meiner ereignisreichen Vergangenheit.“ Bain lächelte. „Egal, ob meine Gefährten sie hören wollen oder nicht. Und jetzt werden wir dich erst einmal mit ein wenig Literatur versorgen.“
Er überreichte mir den Stapel. Ich zählte sieben Bände. Ein wenig Literatur? Offenbar unterschied sich meine Auffassung von wenig erheblich von seiner. Wenigstens waren die meisten Bücher nicht sehr dick.
„Morgen ist Markttag. Ein zusätzlicher Tag zum Lernen.“ In Bains Stimme lag eine gewisse Hochachtung. Ein zusätzlicher Tag zum Studieren war ihm vermutlich ebenso viel wert wie ein Beutel voller Gold.
„Lies von jedem Buch die ersten drei Kapitel.
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