Yelena und die verlorenen Seelen - Snyder, M: Yelena und die verlorenen Seelen
Gleiche gemacht . Er hatte recht. Ein taubes Gefühl ergriff meinen Körper. Ich hatte überhaupt nicht über die Konsequenzen meines Tuns nachgedacht.
Komm mir bloß nicht in die Quere; ich bin die mächtige Seelenfinderin . Ich empfand eine tiefe Abscheu vor mir selbst. Die Geschichtsbücher gingen nicht sehr freundlich mit Seelenfindern um. Das Bild meines Flammen-Ichs, das an den Pfahl gefesselt war und verbrannt wurde, kam mir in den Sinn. Vielleicht hatten die Ratsmitglieder und Roze doch recht, Angst vor mir zu haben. Die Furcht, zu einem machtbesessenen Despoten zu werden, war nicht unbegründet angesichts dessen, was ich Ferde angetan hatte.
„Es wird höchste Zeit abzureisen“, mahnte Mondmann.
Wir saßen wieder im Aufenthaltsraum des Gasthofs. Am Tag zuvor hatten die Stadtwachen Cahil und die anderen in Gewahrsam genommen, nachdem wir ihnen stundenlang von Cahils Gruppe berichtet und anschließend noch einmal einen ganzen Nachmittag lang versucht hatten, sie davon zu überzeugen, die Gefangenen der Ratsversammlung zu übergeben. Leif und Marrok wollten die Stadtwachen am Morgen zur Zitadelle begleiten. Ich hatte vor, mit Mondmann und Tauno zum Gebiet der Sandseeds in die Avibian-Ebene zu reiten.
„Du machst dir Sorgen um deine Sippe“, stellte ich fest.
„Ja. Wir sollten auch unbedingt mehr über Kirakawa, den Flammenmenschen und deine Fähigkeiten in Erfahrung bringen, ehe wir den Würmern erneut über den Weg laufen.“
„Aber deine Sippe weiß doch kaum noch etwas über das Ritual“, wandte Leif ein. „Wie willst du da mehr herausbekommen?“
„Wir können Gede befragen. Er ist auch Geschichtenweber, aber er stammt von Guyan ab und weiß möglicherweise mehr.“ Mondmann stibitzte mir mein Ingwer-Muffin und steckte es sich in den Mund.
Ich brannte darauf zu erfahren, wie Guyan es geschafft hatte, die Sandseeds nach dem Bürgerkrieg mit den Efe-Kriegern zu vereinen. Aber Mondmanns Worte erinnerten mich auch daran, dass ich unbedingt mit Irys in Kontakt treten und ihr berichten musste, was geschehen war.
Wir beendeten unser Frühstück und trafen Vorbereitungen für unsere Abreise. Mondmann und Tauno wollten die Pferde satteln, während Leif und ich versuchten, eine Verbindung zu Irys herzustellen.
Sobald wir wieder in unserem Zimmer waren, legte ich mich auf mein Bett.
„Glaubst du, dass du sie aus dieser Entfernung erreichen kannst?“, fragte Leif.
„Das hoffe ich. Aber möglicherweise brauche ich einen Energieschub.“
Leif setzte sich auf die Bettkante. Ich schloss die Augen, zapfte die Kraftquelle an und schickte mein Bewusstsein zum Bergfried der Magier in der Zitadelle. Dem Durcheinander in der Stadt und dem Bewusstseinschaos Tausender Städter schenkte ich keine Beachtung. Endlich erreichte ich das weitläufige Gebiet, das das Land der Greenblade-Sippe nach Osten hin begrenzte. Die wenigen Rinder, die ich auf meinem Weg traf, duckten sich gegen den feuchten Wind.
Über das unfruchtbare Ackerland hinweg nahm ich die weißen Marmorwände der Zitadelle ins Visier. Dabei wurde mein Energiefaden immer dünner – wie eine lang gezogene Karamellmasse. Leifs warme Hand umfasste meine, und ein Kraftschub half meinem Bewusstsein weiter vorwärts. Doch es reichte nicht bis zu den Wänden. Die Anstrengung ermattete mich.
Leif drückte meine Hand und erhob sich. Ehe ich ihn fragen konnte, was er vorhatte, durchsuchte er seinen Rucksack und drückte mir ein zusammengerolltes gelbes Blatt in die Hand.
„Iss das“, forderte er mich auf. „Es gibt dir Kraft.“
Ich schnupperte daran. Das Blatt roch nach grüner Minze und Rosmarin. Eine seltsame Kombination. Der herbe Minzegeschmack dominierte, als ich das Blatt zerkaute. „Igitt. Was ist das?“
„Ein Bakablatt. Eine von Vaters Entdeckungen.“
Nach einer Weile fühlte ich mich tatsächlich besser. Wir packten unsere Rucksäcke, gingen zu Mondmann und Tauno in den Stall und stiegen auf die Pferde. Leif und Marrok ritten zusammen auf Rusalka zum Hauptquartier der Stadtwache. Dort wollte Marrok sich ein Pferd leihen, um zur Zitadelle zu gelangen.
Wir anderen machten uns auf nach Osten, mitten durch die belebten Straßen von Booruby. Tauno teilte sich Kikis Sattel mit mir, und Mondmann ritt auf Garnet.
Als wir die Avibian-Ebene erreichten, fielen die Pferde in ihren windflinken Galopp. Erst bei Sonnenuntergang legten wir eine Pause ein. Unser Rastplatz lag in einer trostlosen Gegend der Ebene. Hier und da wucherten ein paar
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