Yelena und die verlorenen Seelen - Snyder, M: Yelena und die verlorenen Seelen
weißen Zelte des Lagers vor uns auftauchten. Viele Sandseeds hatten sich am Feuer versammelt. Einige rührten in riesigen Kochtöpfen. Dem kräftigen Geruch nach zu urteilen musste es sich um einen Wildbret-Eintopf handeln. Lecker! Andere winkten uns zu, während wir näher kamen. Wir verlangsamten unser Tempo.
Über dem lodernden Feuer flimmerte die Luft. Ich suchte die Umgebung mit meiner Zauberkraft ab, spürte jedoch lediglich den starken Schutz, von dem Mondmann gesprochen hatte. Die Magie fühlte sich nicht wie eine Illusion an, aber ich hatte schließlich auch nicht so viel Erfahrung.
Ich wappnete mich innerlich, als wir die magische Grenze überschritten. Selbst Tauno schlang seine Arme fester um meine Taille. Doch an der Szenerie änderte sich nichts. Die Sandseeds blieben dieselben. Kaum hatten wir die Pferde angehalten, kamen uns drei Männer und zwei Frauen entgegen, während die anderen weiter ihren abendlichen Tätigkeiten nachgingen.
In den Gesichtern der Frauen zeichneten sich Kummer und Sorge ab. Offenbar hatte es bei den Sandseeds einige Opfer gegeben. Die Sandseeds-Männer griffen nach den Zügeln. Seltsam. Sie hatten ihre Pferde doch gelehrt, sich ruhig zu verhalten. Unvermittelt stellte Kiki sich auf die Hinterbeine. Ich hielt mich an ihrer Mähne fest, als sie dem Griff der Sandseeds auswich.
Schlechter Geruch , warnte sie.
Und dann verwandelten sich die Flammen des Feuers in ein blitzendes Stahlgewitter. Ich drehte den Kopf und sah eine Meute von bis an die Zähne bewaffneten Daviian-Würmern aus den Zelten herausstürmen.
15. KAPITEL
T aunos Bogen flog durch die Luft, und ich schrie: „Lauf! Lauf! Lauf!“ Kiki hatte sich befreit, aber zwei Männer hielten Garnets Zügel fest. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass der Abstand zwischen uns und dem schnellsten Wurm knapp zehn Meter betrug.
Ich zog meinen Streitkolben aus der Halterung meines Rucksacks. Kiki machte kehrt und hielt den Wurm mit ihren Hinterbeinen in Schach. Mein Streitkolben krachte gegen die Schläfe des Sandseeds, der Garnet festhielt. Der Mann stürzte zu Boden, und sofort überkamen mich Gewissensbisse. Wahrscheinlich hatte man ihn gezwungen, uns zu attackieren. Meine Reue hielt mich allerdings nicht davon ab, auch den zweiten Mann anzugreifen, der Garnet fest am Zügel hielt.
„Lauf! Lauf! Lauf!“, schrie ich noch einmal.
Mit Mondmanns Krummsäbel, Taunos Pfeilen und meinem Streitkolben konnten wir freilich nur wenig ausrichten, denn die Würmer waren in der Überzahl. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie uns überwältigt hatten. Ein Gewirr von Hufgetrappel, Schwerterklirren und Kampflärm lag in der Luft, als die Pferde das Lager der Sandseeds hinter sich ließen und windschnell davongaloppierten.
Den größten Teil der Nacht waren wir geritten, um die Würmer so weit wie möglich hinter uns zu lassen. Allmählich wurden die Pferde langsamer. Keuchend senkten sie die Köpfe. Ihr Fell glänzte vor Schweiß. Uns blieben nur noch wenige Stunden im Schutz der Dunkelheit. Wir stiegen ab und nahmen ihnen die Sättel ab. Während ich die Pferde spazieren führte, um sie abzukühlen, suchten Mondmann und Tauno nach Holz und Wildbret.
Niemand sprach ein Wort. Alle waren noch schockiert über den Angriff. Die Bilder der Gewalt wollten mir nicht aus dem Kopf gehen. Nicht auszudenken, welche Folgen das haben würde.
Schweigend verspeisten wir einen Kanincheneintopf. Ich überlegte, was wir als Nächstes tun sollten.
„Die Ältesten …“ Laut klang Mondmanns Stimme durch die trübe Nachtluft.
„Leben alle“, beruhigte Tauno ihn. „Jedenfalls noch.“
„Ob sie sie umbringen?“ Ich schauderte beim Gedanken an all die Köpfe, die an der Luft trockneten.
„Jedenfalls brauchen sie sie nicht mehr. Die Falle war perfekt“, erwiderte Mondmann. Dann schien er noch einmal über seine Worte nachzudenken. „Vielleicht halten sie sie als Sklaven. Die Würmer sind sehr faul, wenn es um häusliche Arbeiten geht.“
„Aber umso emsiger, wenn sie ihre Ritualmorde begehen, um Macht zu gewinnen“, ergänzte ich. „Da haben wir ja noch mal Glück gehabt.“ Wieder tauchten die Bilder vor meinem inneren Auge auf. „Hältst du es für möglich, dass einige deiner Leute entkommen konnten?“
„Vielleicht. Möglicherweise haben sie die Ebene verlassen“, überlegte Mondmann. „Die Sandseeds kontrollieren die magische Schutzhülle über der Avibian-Ebene nicht mehr. Innerhalb ihrer Grenzen zu bleiben wäre zu
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