Yelena und die verlorenen Seelen - Snyder, M: Yelena und die verlorenen Seelen
Grasbüschel im Sand, doch nirgendwo gab es Bäume oder Feuerholz. Kaum war Tauno vom Pferd gestiegen, begann er auch schon, die Gegend zu erkunden.
Mondmann und ich versorgten die Tiere. Nachdem wir ihnen Futter und Wasser gegeben und sie gestriegelt hatten, holte er die Ölnüsse hervor, die Leif ihm gegeben hatte. Die Ölnüsse, ebenfalls eine Entdeckung meines Vaters, brannten lange genug, um Wasser für einen Eintopf zu erhitzen. Die Nachtluft war feucht und roch nach Regen.
Nachdem er die faustgroßen Stücke kreisförmig ausgelegt hatte, entzündete er die Nüsse mit den Funken, die entstanden, indem er zwei Steine gegeneinanderschlug. Offenbar reichte die Macht des Geschichtenwebers nicht aus, um ein Feuer zu entfachen. Sehr interessant.
Tauno kehrte mit einigen Kaninchen zurück, die er mit Pfeil und Bogen erlegt hatte. Er zog den Tieren das Fell ab und gab das Fleisch zum Eintopf hinzu.
Nach dem Essen fragte ich Mondmann über Guyan aus. „Was ist zwischen den Efe-Herrschern vorgefallen?“
„Vor etwa zweitausend Jahren waren die Efe ein Stamm von friedlichen Nomaden, die dem Vieh und dem Wetter hinterherzogen.“ Mondmann lehnte sich gegen Garnets Sattel und erwärmte sich mehr und mehr für seine Erzählung. „Ehe die jungen Leute vollwertige Clanmitglieder wurden, streiften sie ein Jahr lang durchs Land und brachten eine neue Geschichte für die Sippe mit. Einer von ihnen hieß Hersh. Man erzählt sich, dass er mehrere Jahre unterwegs war, und als er zurückkehrte, verfügte er über Kenntnisse auf dem Gebiet des Blutzaubers.
Zunächst unterrichtete er einige Efe-Magier, Krieger genannt, und zeigte ihnen, wie sie ihre Macht vermehren konnten. Es waren unbedeutende Riten, für die sie bloß einen Tropfen ihres eigenen Blutes benötigten. Sobald das Ritual beendet war, ließ die zusätzliche Kraft auch schon wieder nach. Dann lehrte Hersh sie, ihr Blut mit Tinte zu vermischen und sich unter die Haut zu spritzen. Jetzt hielt die Macht länger vor, und sie wurden stärkere Krieger. Bald fanden sie heraus, dass die Wirkung noch größer war, wenn sie das Blut eines anderen nahmen. Und am wirkungsvollsten war das Blut, das direkt aus der Herzkammer genommen wurde.“
Mondmann verlagerte sein Gewicht und schaute zum schwarzen Himmel hinauf. „Das Problem mit Blutmagie liegt darin, dass sie süchtig macht, wenn man sie zu oft anwendet. Obwohl die Efe-Krieger mächtig waren, wollten sie immer noch mehr. Ihre eigenen Clanmitglieder töteten sie zwar nicht, aber sie suchten sich Opfer von benachbarten Sippen. Von diesem Zeitpunkt an waren sie nicht mehr damit zufrieden, dem Vieh und der Nahrung zu folgen. Stattdessen stahlen sie von anderen, was sie brauchten.
Diese Übergriffe hielten lange an. Und sie hätten noch länger gedauert, wenn nicht ein Efe namens Guyan den Kriegern Einhalt geboten hätte. Er sorgte dafür, dass seine Magie rein blieb. Weil er so entsetzliche Dinge mit eigenen Augen gesehen hatte, gründete er eine Widerstandsgruppe. Die Einzelheiten der Schlacht liegen im Dunkel der Geschichte, aber das Ausmaß der Zauberkraft, die sie aus der Kraftquelle zogen, reichte aus, um die Daviian-Berge zu schleifen und die Hülle zu zerreißen. Guyan scharte die Überlebenden aus der Sippe um sich und begründete den Stand der Geschichtenweber, die den Menschen halfen und die Hülle wieder instand setzten.“ Mondmann gähnte.
Ich verglich seine Erzählung mit dem, was ich über die Geschichte Sitias wusste. „Kann man die Kraftquelle wirklich wieder instand setzen? Ich habe über einen Magier gelesen, der die Hülle um sich gebündelt hatte. Anschließend dauerte es zweihundert Jahre, bis sie wieder im Gleichgewicht war.“
„Guyan war der erste Geschichtenweber“, meldete Tauno sich zu Wort. Während Mondmanns Erzählung hatte er regungslos dagesessen. „Guyan war so mächtig, dass er die Hülle wiederherstellen konnte. Das hat bisher noch kein anderer fertiggebracht.“
Mondmann pflichtete ihm bei. „Die Hülle ist nicht vollkommen. Es gibt Löcher, Risse und dünne Stellen. Irgendwann könnte es so weit sein, dass die Kraft aufgebraucht ist, und die Magie ist nur noch Geschichte.“
Ein lauter Knall aus dem Feuer ließ mich zusammenzucken. Zischend verglühte die letzte von Leifs Ölnüssen. Jetzt saßen wir drei im Dunkeln. Tauno bot an, die erste Wache zu übernehmen, während Mondmann und ich uns hinlegten.
Zitternd lag ich in meinem Mantel. Ich konnte keinen Schlaf finden, da ich
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