Yelena und die verlorenen Seelen - Snyder, M: Yelena und die verlorenen Seelen
die Würmer sich das Wissen ohne diese Bücher angeeignet“, meinte ich.
„Woher willst du das wissen?“, fuhr Gede mich an. Misstrauisch beäugte er Dax. „Vielleicht hat ihnen jemand diese Informationen zugespielt.“
Ich baute mich vor Gede auf, ehe Dax selbst etwas zu seiner Verteidigung vorbringen konnte. „Aber nicht von hier. Außerdem könnte es von Vorteil sein, diese Bücher zu besitzen. Dein Vorfahr Guyan hat die Efe vernichtend geschlagen. Vielleicht erfährt man aus den Büchern, wie man sich gegen die Blutmagie der Würmer und gegen den Flammenmenschen zur Wehr setzen kann.“
„Noch ein Grund mehr, sie mir auszuhändigen“, behauptete Gede. „Die Sandseeds werden einen Weg finden, wie sie die Daviianer bekämpfen können. Schließlich sind sie ja unser Problem.“
„Oh nein. Sie sind längst nicht mehr nur euer Problem“, schaltete Bain sich ein. „Die Bücher bleiben hier. Du kannst sie gerne gemeinsam mit uns lesen.“
Aber Gede dachte ebenso wenig daran, klein beizugeben, wie Bain gewillt war, ihm entgegenzukommen. Schließlich erhob sich Gede. Bevor er ging, blieb er vor mir stehen und musterte mich mit einem kalten Blick aus seinen dunklen Augen.
„Wusstest du“, fragte er mich, „dass Guyan ein Seelenfinder war?“
Überrascht entgegnete ich: „Nein. Ich dachte, er sei der erste Geschichtenweber gewesen.“
„Er war beides. Du hast überhaupt keine Ahnung von Seelenfindern.“ Wütend starrte er Mondmann an. „Dein Unterricht ist ein Witz. Ich kann dich lehren, eine echte Seelenfinderin zu werden.“
Das Herz hämmerte mir in der Brust. Die Aussicht, mehr über Seelenfinder zu lernen, war ebenso aufregend wie beängstigend.
Gede musste die Unentschlossenheit in meiner Miene gelesen haben. „Du brauchst diese Bücher nicht, um den Flammenmenschen zu bekämpfen.“
Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Ich wusste, dass ein Haken an der Sache sein musste. „Ich nehme an, du wirst mir irgendwelchen rätselhaften Unsinn beibringen.“
„Bah!“ Erneut warf Gede Mondmann einen verärgerten Blick zu. „Dafür haben wir keine Zeit. Bist du interessiert?“
Mein gesunder Menschenverstand focht einen Kampf mit meinen Gefühlen aus. „Ja.“ Die Gefühle hatten gewonnen.
„Gut. Ich wohne in der Gästesuite der Zitadelle. Komm in der Abenddämmerung. Der Mond müsste bis dahin aufgegangen sein.“ Gede fegte aus dem Raum mit Mondmann im Schlepptau.
Irys sah mich mit erhobenen Augenbrauen an. „Ich weiß nicht, ob …“
„… das die beste Lösung ist“, beendete ich den Satz für sie. „Nun, ich auch nicht. Ich werde es darauf ankommen lassen und auf das Beste hoffen.“
Sie strich sich die Falten auf ihrer Tunika glatt und musterte mich mit einem schiefen Blick. „Ich traue ihm nicht über den Weg.“
Vor Rozes Turm blieb ich stehen, tief in Gedanken versunken. Das Treffen mit ihr, Bain und Zitora konnte eine Falle sein. Entweder wollte sie mich zu dem Geständnis verführen, gegen Sitia zu konspirieren, oder es war die Gelegenheit für mich, mich zu rehabilitieren.
Während ich noch über die Alternativen nachdachte, öffnete Bain die Tür. „Komm herein, mein Kind“, forderte er mich auf. „Draußen ist es kalt.“
Nach kurzem Zögern folgte ich Bain in Rozes Wohnung. Ein riesiges Feuer knisterte und fauchte und spie Funken, die den fadenscheinigen Teppich in Brand gesetzt hätten, wenn Roze die umherfliegende Glut nicht mit ihrer Magie gelöscht hätte. Erinnerungen an ihren Feuerangriff wurden in mir wach, und ich suchte mir einen harten Holzstuhl aus, der so weit weg wie möglich vom Kamin und von ihr stand.
Dem spartanisch und schmucklos eingerichteten Zimmer fehlte die behagliche Atmosphäre von Irys’ Wohnräumen und der Geruch von Büchern und Papier von Bains Studierstube. Zitora, die Dritte Magierin, saß auf der Kante ihres Stuhles, der eine hohe, gerade Lehne und keine Sitzpolster hatte. Beharrlich starrte sie auf ihre verschränkten Hände in ihrem Schoß. Bain hatte die einzige behagliche Sitzmöglichkeit für sich in Anspruch genommen. Das abgewetzte Polster sah aus, als könnte es jeden Moment zerreißen, und Rozes verärgertes Stirnrunzeln, mit dem sie Bain musterte, ließ darauf schließen, dass er auf ihrem Lieblingsplatz saß.
„Bringen wir es hinter uns“, unterbrach ich die unheilschwangere Stille.
„Nervös?“, erkundigte Roze sich.
„Nein. In einer Stunde habe ich eine Verabredung, und ich muss mir noch die Haare
Weitere Kostenlose Bücher