You are Mine
Es ist ja nicht so, als würden sie je zum Abendessen vorbeikommen, um nachzuschauen, ob es noch da ist.
»Alex, ich frage mich.« Mr. Sargood lächelt kurz. »Würdest du etwas für mich tun, wenn ich sagen würde, es ist wichtig?«
Eine bedeutungsschwere Frage, wenn ich je eine gehört habe. »Ich nehme an. Hängt davon ab.«
»Von der Natur der Bitte, natürlich.« Er schweigt für einen Moment, als müsste er sich entscheiden, ob er fortfahren solle oder nicht. »In den letzten zwei Jahren standest du meiner Tochter sehr nahe. Wir können wohl sagen, dass du sie letztendlich besser kanntest als jeder andere.«
Das Horn des Einhorns ist zu stumpf, um die Haut zu durchstoßen, selbst wenn ich es tief in meinen Daumenballen drücke, aber immerhin reicht der Schmerz aus, um das Lachen zu kontrollieren, das mir in die Kehle steigt.
Ich kannte sie? Himmel, genauso gut könnte ich behaupten, die Geheimnisse der Sphinx zu kennen.
»Ich neide dir diese Vertrautheit nicht«, spricht Mr. Sargood weiter. »Habe ich nie. Aber jetzt will ich etwas wissen. Ich will wissen, warum das passiert ist, was an ihrem Leben so … verdorben war, dass sie die einzige Lösung darin sah, es zu beenden. Ich will wissen, ob es etwas gegeben hätte, was ich hätte tun können.«
Ich muss wissen, dass ich nichts hätte tun können.
Die Empfindung unausgesprochen, aber nur zu vertraut, weil sie die Unsicherheit aufgreift, in der ich meine letzten Tage verbracht habe. Aber ich werde es nie wissen, niemand wird das, und so gebe ich ihm die einzige Antwort, die mir möglich ist, diejenige, mit der ich mich selbst betrogen habe, obwohl ich sogar in dem Moment, in dem ich sie ausspreche, weiß, dass es fast sicher eine Lüge ist.
»Es war wegen ihrer Krankheit, oder? Wegen ihrem Herz.« Ich drücke das Einhorn wieder gegen meine Hand und räuspere mich. »Ich nehme an, sie war es einfach leid. War es leid, auf den Tod zu warten und nie zu wissen, ob es morgen passieren könnte oder am Tag danach. Oder in einem Jahr. Das würde mir auch Angst machen, das kann ich Ihnen sagen. Es hat mir Angst gemacht, und ich war nicht einmal derjenige, der mit dieser Gefahr in mir selbst leben musste.«
Die Blicke, die Bailey und sein Vater wechseln, sind für mich nicht zu deuten.
»Ich bin mir nicht sicher, was Madigan dir erzählt hat«, sagt Bailey. »Aber sie war nicht in Gefahr, einfach umzukippen und zu sterben, weißt du?«
Mr. Sargood nickt zustimmend. »Ihr Zustand war ernst, aber nicht notwendigerweise das Todesurteil, als das sie es manchmal sah. In den letzten paar Wochen haben wir sie ermuntert, einen Spezialisten in der Stadt aufzusuchen. In naher Zukunft gibt es vielleicht sogar eine Operation, und die Medikamente schienen alles sehr gut zu kontrollieren.«
»Medikamente?«
»Ihre Pillen. Sie hat sie doch genommen, als sie bei dir gelebt hat?«, fragt Bailey. »Sie hat uns versprochen, sie zu nehmen.«
Eine Erinnerung: Ich betrete das Bad – bereits jenseits der Grenze, höflich zu klopfen, selbst wenn die Tür geschlossen war –, um Madigan mit einem überrascht-schuldbewussten Gesichtsausdruck zu entdecken, zwei gelbe Tabletten in der einen, ein Glas Wasser in der anderen Hand. Verhütung , ein scharf gesprochenes Wort, als hätte ich kein Recht, sie zu hinterfragen, aber zumindest lächelte sie dabei. Was, nach all dieser Zeit, dachtest du, du schießt mit Attrappen?
Verhütung, im Rückblick ein ziemlich böser Witz.
»Aber was ist mit Katherine?«, frage ich. »Katherine ist doch daran gestorben.«
Mr. Sargood runzelt die Stirn und schiebt sein Kinn vor. »Bei meiner Frau lag die Sache anders. Es gab Komplikationen und es wurde zu spät diagnostiziert. Bei meiner Tochter mussten solche Probleme nicht auftreten, es ging lediglich um die richtigen Tests und das richtige Timing. Die medizinische Wissenschaft hat Fortschritte gemacht, es gibt neue Behandlungsmethoden, zu denen meine Frau noch keinen Zugang hatte.«
Lügner
Bitte, nicht mehr, nicht noch mehr davon. Ich hatte genug für einen Tag, für ein ganzes Leben: Madigan beerdigt; Madigan schwanger; Madigan doch nicht sterbenskrank . Ein neues Kopfweh fängt an, in meinen Schläfen zu pochen. Neu? Nein, geht mir auf, dasselbe, das mich seit Tagen begleitet, mal schlimmer, mal weniger schlimm, ein ständiges Hintergrundgeräusch, das zu vertraut ist, um es noch zu bemerken.
»Also wirst du uns helfen, Alex?«
Ich blinzle, suche nach Worten und versage. »Ähm.«
»Du
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