Young Sherlock Holmes 2
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»Was ist nur los mit euch Jungs?«, fragte er und richtete die Waffe auf Sherlock. »Ihr habt uns an einem Tag mehr Schwierigkeiten gemacht als die ganze verdammte Unionsarmee seit Kriegsende. Das steht mal fest.«
»Lassen Sie meinen Freund frei«, knurrte Sherlock wütend und rappelte sich wieder auf.
»Für jemand, der in ein paar Minuten tot sein wird, riskierst du ’ne ganz schön kesse Lippe«, antwortete der Mann mit einem zornigen Grinsen. »Wir haben den Jungen geschnappt, um dich und diesen Kerl mit dem weißen Hut davon abzuhalten, uns weiter nachzustellen. Hat wohl nicht so geklappt, wie wir gedacht haben. Dann werd ich euch jetzt einfach alle umbringen. Und Ives danach ein Telegramm schicken, dass er mit deinem Freund dasselbe machen kann. Den brauchen wir ja jetzt nicht mehr. Also, dann sag der Welt mal …« Doch was genau nun Sherlock der Welt noch sagen sollte, brachte Gilfillan nicht mehr hervor. Denn Sherlock zog blitzschnell eine Hand hinterm Rücken hervor und schleuderte seinem Gegner ein paar Steine entgegen, die er zuvor unbemerkt vom Boden aufgeklaubt hatte. Die Steinwolke flog auf Gilfillan zu und traf ihn an Wange, Stirn und ins linke Auge. Er riss die Hände vors Gesicht und ließ dabei das Gewehr los, das scheppernd zu Boden fiel. Sherlock sprang auf und wollte sich die Waffe schnappen, aber Gilfillan beförderte sie mit einem Fußtritt außer Reichweite. Mit einer Hand packte er daraufhin Sherlocks Haare und verdrehte sie mit einem kräftigen Ruck. Sherlock brüllte auf vor Wut und Schmerz und trat mit dem Fuß aus. Seine Stiefelspitze traf genau Gilfillans Knie, und der Griff in seinem Haar löste sich abrupt. Sherlock sprang zurück und sah sich nach dem Gewehr um. Ihre Blicke fielen im selben Augenblick auf die Waffe, und beide hechteten darauf zu. Doch Sherlock erreichte sie zuerst. Er krallte die Finger um den Kolben und rollte sich zur Seite, bevor der Amerikaner fluchend auf dem Boden aufschlug.
Dann standen sich beide einen Moment lang schwer atmend gegenüber. Gilfillan wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab.
»Das traust du dich doch eh nicht«, sagte er. »Ich werd dir jetzt das verdammte Gewehr abnehmen, es dir um den Hals wickeln und dir die Luft aus deinem dürren Körper quetschen.«
Er machte einen Schritt vorwärts, und Sherlock hob drohend die Waffe.
»Nicht …«, sagte er.
Doch der Mann stapfte weiter auf Sherlock zu. Das Gesicht zu einer hässlichen Grimasse verzerrt, streckte er die dreckigen Hände nach ihm aus.
6
Sherlock war davon überzeugt, dass er keine andere Wahl hatte, und richtete das Gewehr auf die Brust des Mannes. Er drückte den Abzug und machte sich schon auf den Rückstoß gefasst.
Doch nichts geschah. Das Gewehr funktionierte nicht.
Gilfillan grinste triumphierend. »Dreck im Verschluss«, sagte er. »So alte Waffen muss man sorgfältig behandeln. Der kleinste Krümel, und schon funktionieren sie nicht mehr.« Er langte in seine Hosentasche und zog einen kleinen, dunklen Gegenstand heraus. Dann machte er eine kurze, ruckartige Handbewegung, und plötzlich sprang eine übel aussehende, gekrümmte Klinge hervor.
»Ganz im Gegensatz zu ’nem Messer. Das funktioniert meiner Erfahrung nach immer. Is’ langsamer als ein Gewehr, aber man hat auch viel mehr Spaß damit.«
Er machte einen Satz nach vorne und vollführte mit dem Messer einen seitlichen Hieb durch die Luft, offensichtlich, um Sherlocks Augen zu treffen. Der Junge stolperte nach hinten und spürte den kalten Luftzug, als die Klinge seine Wimpern streifte. Die von der scharfen Klingenspitze reflektierten letzten Sonnenstrahlen trafen in Sherlocks Augen und hinterließen eine rote Blendspur in seinem Sichtfeld, die auch noch blieb, als die Klinge schon vorbei war.
Da ging Gilfillan auch schon wieder auf Sherlock los und stieß das Messer von unten ruckartig in die Höhe, um es ihm in den Bauch zu rammen. Aber Sherlock blockte die Klinge mit dem Gewehrkolben ab. Durch den Aufprall wurde er nach hinten gestoßen, doch immerhin hielt sich Gilfillan jetzt fluchend das schmerzende Handgelenk.
»Okay, das war’s«, knurrte er. »Jetzt werden andere Seiten aufgezogen. Ich werd dich abschlachten wie ein Schwein.«
Er griff nach Sherlock und packte ihn am Ohr, bevor er ausweichen konnte. Unerbittlich zog er ihn mit einer Hand näher an sich heran, während er mit der anderen das Messer an Sherlocks Kehle hob. Instinktiv brachte Sherlock das Gewehr zwischen sich und
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