Ysobel – Das Herz aus Diamant
und Mittel, in der Burg nach den Beweisen zu suchen, die Euch fehlen. Wenn sie existieren, werde ich sie finden.«
»Wie komme ich nur auf den dummen Einfall, dass du es nicht um meiner schönen blauen Augen willen tust«, murmelte Jos de Comper zynisch. Seit er zu wissen glaubte, dass sie auch die Liebste des Burgherrn war, wunderte er sich nicht mehr über ihre gewählte Ausdrucksweise, ihre flinke Intelligenz und ihre schnelle Entschlusskraft. Offensichtlich war sie auch klug genug, um rechtzeitig die Seiten zu wechseln. Statt sich darüber zu ärgern, sollte er froh sein, dass sich die Waage zu seinen Gunsten senkte.
Ysobel schenkte ihm ein flüchtiges, sehr trauriges Lächeln. »Ich helfe Euch unter der Bedingung, dass Ihr mir eine Audienz bei Jean de Montfort beschafft!«
»Beim Herzog? Du bist närrisch!« Er starrte sie verblüfft an. »Was willst du von Jean de Montfort? Du bist schön, keine Frage, aber hast du vergessen, dass unser Herr mit der Schwester des englischen Königs verheiratet ist? Er liebt seine Gemahlin, und er gehört nicht zu den Männern, die das Abenteuer suchen!«
Ysobel errötete bis unter den Haaransatz. Was dachte er von ihr? Dass sie sich wie eine Hure verkaufen wollte? Hielt er sie für eine leichtfertige Person, die mit der flüchtigen Münze ihrer Zuneigung bezahlte? Mutter Elissas Episteln zu klösterlicher Bescheidenheit und keuscher Frömmigkeit kamen ihr in den Sinn. Sie hatten sie gelangweilt, aber dennoch hatte sie die Vorschriften befolgt. Schon weil ihr eigener Stolz den Ungehorsam verbot.
Unwillkürlich straffte sie die Schultern und erwiderte seinen Blick mit der angeborenen Arroganz einer jahrhundertealten Ahnenreihe. »Denkt, was Ihr wollt, ich habe Euch meinen Preis genannt!«
»Schockschwerenot!« Jos de Comper schüttelte verblüfft den Kopf. Sie hatte die Allüren der großen Dame schnell gelernt. »Komm mir nicht so, mein Mädchen! Solange ich nicht weiß, was du von Seiner Gnaden willst, kommen wir beide nicht ins Geschäft!«
»Ich will ihm einen Handel anbieten«, erklärte Ysobel wahrheitsgemäß. »Ich besitze einen Gegenstand, der für ihn von großem Interesse sein könnte.«
»Und du wirst mir natürlich nicht sagen, was für ein Gegenstand das ist«, sagte er sarkastisch. »Ich soll glauben, dass eine schlichte Magd über etwas verfügt, das den Fürsten unseres Landes dazu verleiten könnte, ihr sein Ohr zu leihen? Du verlangst ein wenig viel Vertrauen in deine Person von mir!«
»Muss ich Euch nicht auch vertrauen?«, erwiderte sie brüsk. »Wer sagt mir denn, dass Ihr nicht einfach Zugang zur Burg sucht, um Euch am Reichtum der Locronans zu bedienen?«
Sie standen sich gegenüber, und keiner wich dem Blick des anderen aus. Erstaunlicherweise war es am Ende der Mann, der den Bann brach. Eine innere Stimme sagte ihm, dass Ysobel nie im Stande sein würde, etwas Unrechtmäßiges oder Hässliches zu tun. Sie mochte ein Rätsel sein, aber gleichzeitig umgab sie die absolute Klarheit eines Menschen, dem alles Böse fremd war.
»Damit sind wir im Patt, Mignonne«, murmelte er in jener nachlässig spöttischen Art, die Ysobel langsam zu fürchten begann. »Gut, du sollst mich keinen Feigling nennen können. Du hast mein Wort. Ich werde den Herzog bitten, für dieses Wort einzustehen und dich zu empfangen!«
»Das Ehrenwort eines Ritters?«, versicherte sich Ysobel mit einem Misstrauen, das aus der Kränkung geboren worden war. Sie vermisste schmerzlich jeden Respekt in seinen Worten.
»So wahr ich Jos de Comper heiße und nicht der ehrlose Schurke bin, für den du mich zu halten scheinst, mein Mädchen!«, entgegnete er viel sagend und schenkte ihr ein freches Grinsen. »Und wie es sich für Gefährten eines solchen Abenteuers gehört, sollten wir diesen Schwur auch in allen Ehren besiegeln.«
Ehe Ysobel begriff, was er im Sinn hatte, fand sie sich in seinen Armen und im Banne eines überraschenden Kusses, der ihre mühsam zusammengeraffte Selbstbeherrschung wie trockenes Herbstlaub im Wind verwehte. Sie war sich klar, dass er diese Zärtlichkeit dazu verwendete, sie zu unterjochen, ihr seinen Willen aufzuzwingen. Dennoch konnte sie nicht umhin, die seidige Verführung der Männerlippen zu genießen, den Geschmack seines Mundes, die verwirrende Berührung seiner Zunge.
Er nahm sie in Besitz, und sie wusste auf einer Ebene ihres Bewusstseins sehr wohl, dass sie sich dagegen wehren sollte.
Doch sie tat es nicht. Im Gegenteil, sie ließ sich von
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