Ysobel – Das Herz aus Diamant
Marmor der Einfassung, ehe sie in dem dunklen Bärenfell versickerte, in das der Seigneur seine Füße vergraben hatte. Wenn sie etwas hasste, dann war das sinnlose Verschwendung!
»Wahrhaftig, immer, wenn man Euch braucht, seid Ihr nicht im Stande, Euch an Euren Namen zu erinnern«, schnaubte sie entrüstet. Sie trat einen Schritt nach hinten, damit nicht einmal die Säume ihrer prächtigen neuen Robe mit ihm in Berührung kamen.
Die goldenen, eingestickten Rosen auf dem violetten Seidenstoff funkelten im Licht der dicken, duftenden Honigwachskerzen, die das luxuriöse Wohngemach erhellten. Dame Thilda zog es normalerweise der großen Halle vor. Zum einen, weil es sich im Winter leichter warm halten ließ, und zum anderen, weil sie die Hunde und das übrige Getier verabscheute, das sich ohne Rücksicht auf alle hausfraulichen Vertreibungsversuche dort eingenistet hatte.
Jetzt führte sie geziert ein spitzengesäumtes Tüchlein an ihre blasse Nase und bekundete ihr Missfallen. »Hier stinkt es wie in einer verlausten Hafenkneipe. Ich möchte wissen, was ich dem Himmel getan habe, um mit solcher Unbill gestraft zu werden«, erklärte sie. »Jede noch so kleine Entscheidung muss ich selbst treffen, weil Ihr mich im Stich lasst und den lächerlichen Rest Eures Verstandes im Wein ertränkt.«
Sie schritt auf den samtgepolsterten Fenstersitz zu, dessen Rundbögen mit kostbaren Glasfenstern ausgefüllt waren. Unter dem Geraschel ihrer zahllosen Röcke richtete sie sich auf den Kissen ein und fuhr vor Schreck zusammen, als ihr Gemahl sich tatsächlich der Mühe unterzog, ihr zu antworten. Normalerweise tat er das nämlich nicht.
»Was Ihr getan h-habt? Vers-sündigt habt Ihr Euch ...«, sagte mit einiger Mühe und blickte sie mit seinen rotgeränderten Augen anklagend an. »Ich möchte meinen, dass Ihr b-besser die Hölle um B-Beistand angeht als den Himmel! Euer Gefährte ist der F-Fürst der Finsternis!«
»Gratien!« Dame Thilda fuhr empört wieder von ihrem Sitz hoch. »Was redet Ihr für närrisches Zeug? Ihr seid ja Eurer Sinne nicht mächtig!«
Der Seigneur von Locronan stützte sich auf die Lehnen seines Stuhls und kam schwankend auf die Beine. Er kümmerte sich nicht um das kostbare Glas, das bei dieser Gelegenheit über das Bärenfell rollte und am Kamin zerschellte. Die scheinheilige Selbstgerechtigkeit ihrer Empörung drang sogar durch die dumpfe Benommenheit, die er normalerweise empfand und die ihn so angenehm vor Gewissensbissen bewahrte.
»Ihr wisst sehr wohl, wovon ich rede, v-verehrte Gemahlin! Von Eurem unheilvollen Pakt mit dem Teufel!«, sagte er ein wenig undeutlich, aber für ihren Geschmack nur zu verständlich. »Es war schon schlimm genug, solange Ihr diesem Schurken nur behilflich wart, die armen Teufel einzuschiffen, die er auf seinen Beutezügen gefangen genommen hat. Aber als Ihr auch noch damit begonnen habt, Euch an unseren eigenen Leuten zu vergreifen ...! An den Menschen, für die wir gemeinsam sorgen sollten ...«
»Schweigt!«
Der schrille Schrei der Edeldame brach jäh ab, als ihr Gemahl sie mit einem groben Stoß auf den Sitz zurückbeförderte und sich vor ihr aufbaute. In seinem Blick lag eine ungewohnte Drohung. Hinter ihrer Stirn überschlugen sich die Gedanken. Sie hatte bewusst diese Stunde gewählt, mit ihm zu sprechen, da er dann meist so betrunken war, dass er sich am nächsten Tag nicht mehr daran erinnerte. Weshalb musste er ausgerechnet heute sein Gewissen erforschen?
»Es muss ein Ende haben mit diesem verbrecherischen Geschäft!«, rief der Seigneur und rieb sich das stoppelbärtige Kinn. »Habt Ihr das verstanden? Ich verbiete Euch, unser Haus noch weiter zu entehren!«
»Iiich entehre dieses Haus?« Dame Thilda lachte höhnisch. Sie kam immer mehr zu der Ansicht, dass es sich bei diesem unerwarteten Wutanfall nur um die harmlosen Grillen eines Betrunkenen handelte. Wie sie ihn hasste, diesen Schwachkopf. Würde sie ihn nicht so bitter nötig brauchen, sie hätte schon längst Mittel und Wege gefunden, sich von dem Jämmerling zu befreien. Aber sie wusste zu genau, dass sie nur als seine Gemahlin jene unbeschränkte Freiheit genoss, die ihr so sehr zusagte.
»Gut, machen wir ein Ende«, stichelte sie. »Aber wovon wollt Ihr leben, mein verehrter Gemahl? Eure Geldtruhen sind leer und die Schätze von Locronan Vergangenheit! Wäre ich nicht klug genug gewesen, für uns zu sorgen, Ihr könntet nicht Tag um Tag den teuersten Malvasier Eure Kehle hinunterrinnen
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