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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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sich selbst um die Mädchen, die mit dem Tross ziehen.«
    Ysobel lauschte der rauen, ausdrucksvollen Männerstimme nach, konnte sich aber keinen Reim auf seine Worte machen. »Willst du den Seigneur von Locronan dafür verantwortlich machen, dass es in seinen Dörfern leichtsinnige Jungfern gibt, die dem Ruf des Abenteuers folgen?«
    »Viele dieser Frauen waren Mägde auf der Burg«, sagte Jos bedeutungsvoll. »Man hat überall kundgetan, dass die Herrin neue Dienstboten sucht. Wenn ihre Familien nach ihnen gefragt haben, bekamen sie zur Antwort, dass sie weggelaufen seien oder dass sie fortgeschickt wurden, weil sie ihre Arbeit nicht gut genug getan hätten. Nicht von einer einzigen hat man je wieder eine Spur gefunden.«
    »Du meinst, das war eine Lüge?«, fragte Ysobel verdutzt. »Aber warum sollte man sich die Mühe machen, ein solches Märchen zu erfinden? Dame Thilda ist herzlos, egoistisch und verschwendungssüchtig, es passt zu ihr, eine Magd hinauszuwerfen. Sie neigt zum Jähzorn, wenn man nicht genau das tut, was sie verlangt.«
    Jos de Comper sah in die hellbraunen Augen, die in diesem Moment wie tiefe goldene Sonnen schimmerten. Es widerstrebte ihm, Ysobels Arglosigkeit mit der Wahrheit zu zerstören. Es kam ihm vor, als würde man ein klares, wunderschönes Glas absichtlich zerkratzen. Aber was sollte er tun? Er musste das Rätsel endlich lösen. Dafür war er schließlich ausgeschickt worden, und er hatte bereits viel zu viel Zeit vertan, ohne etwas zu erreichen.
    »Ich vermute, dass diese Männer und Frauen verkauft worden sind«, sagte er leise.
    »Verkauft?« wiederholte Ysobel ratlos. »Du meinst, wie Leibeigene?«
    »Genau das«, entgegnete Jos.
    »Du musst dich täuschen«, stammelte sie. »Im gesamten Einflussbereich der Burg gibt es schon seit vielen Jahren keine Leibeigenen mehr. Wer sollte auch ...«
    »Auf der anderen Seite des mittleren Meeres, im Heiligen Land und in den anderen Städten der Heiden sind christliche Sklaven begehrtes Handelsgut«, unterbrach Jos sie. »Die dunkelhäutigen Mauren zahlen höchste Preise für diese armen Teufel. Ganz besonders, wenn es sich um hellhäutige und hellhaarige junge Frauen handelt ...«
    Ysobel hatte noch nie etwas von den seltsamen Bräuchen in jenen Ländern gehört, aber Jos’ Tonfall sagte ihr, dass das Schicksal dieser Sklavinnen alles andere als angenehm war. Sie versuchte die Dinge, die sie gehört hatte, in die richtige Reihenfolge zu bringen, und am Ende blieb ihr nur ein schrecklicher Schluss übrig.
    »Kann es sein, dass du Dame Thilda und ihren Gemahl verdächtigst, die Menschen ihres eigenen Lehens an die Heiden zu verschachern?«, fragte sie fassungslos. »Wie sollte das gehen? Man kann sie schließlich nicht in Fässer und Tonkrüge verpacken, wie es meine Mutter mit den Herbstvorräten der Burg gehalten hat.« In ihrer Verblüffung merkte sie nicht, dass Jos stutzte und ihr einen merkwürdigen Blick zuwarf. »Doch, es stimmt. Dame Thilda wirft das Gold mit vollen Händen unter die Händler und Kaufleute ...«
    »Und ihr Gemahl?«
    »Gratien?« In Ysobels Gegenfrage schwang eine seltsame Mischung aus Niedergeschlagenheit und Enttäuschung. Die Angst, dass Jos recht haben könnte, lauerte am Rande ihres Bewusstseins. »Ich weiß nicht, was sie mit ihm tut. Aber am Ende ist er stets wie Wachs in ihren Händen. Er steht völlig unter ihrem Bann, und wenn er wirklich einmal wagt, ihr zu widersprechen, keift sie wie ein Fischweib. Er sucht Trost im Wein, und ich möchte wetten, dass er die meisten Tage so betrunken ist, dass er ohnehin nicht merkt, was um ihn herum vorgeht. Ich habe ihn noch nie auf den Zinnen, bei den Wachleuten oder in der Waffenkammer gesehen. Er ist ein Säufer und nicht länger ein Ritter ...«
    »Du weißt gut Bescheid für eine einfache Magd ...«
    Ysobel gab einen abfälligen Laut von sich und beging den dummen Fehler, in seine Augen zu sehen. Endlos blaues Meer, das sich wie Seide unter einem azurblauen Himmel dehnte. Warm, weich und wie geschaffen, um darin zu ertrinken. Als sie die Gefahr bemerkte, war es längst zu spät. Sie versank bereits.
    »Du hast Augen wie flüssiges Gold«, hörte sie ihn sagen. »Für mich bist du eine Fee, die sich aufgemacht hat, uns Sterbliche zu verzaubern. Das Gewand der Magd kann mich nicht länger täuschen, meine Süße!«
    Die Worte woben seidene, verführerische Fesseln um Ysobel. Sie hörte einen schwachen Seufzer, von dem sie nicht wusste, dass er ihrer eigenen Kehle

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