Ysobel – Das Herz aus Diamant
Locronan besser auskannte als mit jenen in der Bretagne.
»Der richtige, Kleines«, seufzte Jos de Comper und strich sich die Haare aus der Stirn. »Jean de Montfort. Ich kann nur hoffen, dass ihn meine Nachricht erreicht hat ...«
»Wir können Locronan nicht ohne unsere Herrin verlassen!«, mischte sich jetzt plötzlich Dame Volberte ein und rappelte sich hoch. »Wer bist du, Kerl, dass du ein solches Ansinnen überhaupt erwägst!«
Jos knirschte mit den Zähnen. Er erinnerte sich nur zu gut daran, was Ysobel über die grässliche Haushofmeisterin gesagt beziehungsweise nicht gesagt hatte. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und maß sie mit einem Blick, der keine Zweifel an seinen Gefühlen für sie ließ.
»Joseph de Comper, gute Frau. Edelmann und Ritter seiner Gnaden, Jean de Montfort und Kommandant seiner Elite-Bogenschützen. Ich bin es nicht gewohnt, meine Entscheidungen mit gewöhnlichen Kammerfrauen zu diskutieren. Wenn Ihr auf Eure Herrin warten wollt, steht es Euch frei, das hier zu tun. Alle anderen kommen mit mir!«
Jeanne sah mit höchstem Vergnügen, wie Dame Volberte im Fackelschein käsebleich wurde und fassungslos nach Luft schnappte. Die »gute Frau« war ihr dermaßen im Halse stecken geblieben, dass nur noch ein ersticktes Gurgeln aus ihrer Kehle kam. Die Küchenmagd war so begeistert, dass sie völlig vergaß, dass sie es nicht mit einem Fischer, sondern mit einem hochgeborenen Ritter zu tun hatte. Sie rammte Jos einen spitzen Ellenbogen in die Seite und grinste ihn verschmitzt an. »Der hast du’s gegeben. Die sagt so schnell nichts mehr. Ein wahrer Segen!«
»Dann lass uns gehen«, meinte Jos und warf einen letzten ratlosen Blick in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Bis die Flut kommt, müssen wir den Strand hinter uns haben!«
»Ihr mögt sie, nicht wahr?« Jeanne erinnerte sich endlich an Standesunterschiede.
Jos wusste, dass sie nur Ysobel meinen konnte.
»Kennst du sie schon lange?«
»Nein, sie kam im letzten Herbst in die Burg. Keiner weiß, warum Dame Thilda sie in Dienst genommen hat. Sie verabscheut schöne Mädchen, und Ysobel ist die Allerschönste von allen!«
»Da hast du leider recht, kleine Jeanne ...« Jos ließ die Hand auf die magere Schulter der Magd sinken und schubste das Mädchen vorwärts. Er wollte nicht weiter über Ysobel sprechen.
»Nur Mut«, wisperte Jeanne. »Wenn Ysobel Euch in ihr Herz geschlossen hat, dann wird sie Euch finden. Egal, ob Ihr in dieser Höhle auf sie wartet oder im Feldlager irgendwelcher Herzöge!«
Jos schwankte zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Jeannes schlichtes Gottvertrauen half ihm, aber trotzdem kam es ihm vor, als würde ihm bei lebendigem Leibe das Herz aus der Brust gerissen, während er seine Schützlinge durch die Nacht führte.
17. Kapitel
Die Wirklichkeit war grell, schmerzend und schrecklich heiß. Ysobel riss voller Panik die Augen auf und zuckte vor der Flamme zurück, die direkt an ihrem Gesicht loderte und ihr fast die Haut versengte. Sie konnte nichts erkennen. Ihr Kinn fühlte sich an, als habe es Bekanntschaft mit einem Schmiedehammer geschlossen, und ihr ganzer Kopf dröhnte qualvoll. Verwirrt versuchte sie, die Bruchstücke zu einem Ganzen zusammenzufügen.
»Schau an, die Dame ist zu sich gekommen«, hörte sie eine tiefe, raue Männerstimme sagen.
Die Fackel wich zurück, und Ysobel merkte verblüfft, dass sie auf den steinernen Stufen vor dem Kamin in der großen Halle von Locronan lag. Einer von Gratiens Hunden hatte sich ihr genähert und leckte ihre schlaffe Hand. Ehe sie die Finger wegziehen konnte, traf ein mächtiger Tritt das Tier und schleuderte es jaulend quer durch den Raum. Ihr Blick wanderte vorsichtig von dem Stiefel hoch über ein stämmiges Bein, ein pelzbesetztes Wams und einen quadratischen Oberkörper nach oben.
Und dann schaute sie direkt in die Raubvogelaugen des falschen Herzogs. Darin glitzerte ein solcher Triumph, dass sie im ersten Moment keine vernünftige Erklärung dafür fand. Paskal Cocherel brachte sie jedoch so weit wieder zu Bewusstsein, dass sie darum kämpfte, sich aufzurichten, auch wenn ihr fast schlecht wurde vor Schmerzen und sie schwankte wie eine Weide im Wind.
»Ysobel de Locronan, die fromme Novizin aus Sainte Anne«, begann er zu ihrer Bestürzung. Jede Silbe ließ er genüsslich über seine Zunge rollen. Es hatte nichts Gutes zu bedeuten, dass er so viel von ihr wusste. »Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie sehr es mich danach
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