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Ysobel – Das Herz aus Diamant

Ysobel – Das Herz aus Diamant

Titel: Ysobel – Das Herz aus Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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Kapitel
    Ysobel konnte der Versuchung nicht widerstehen. Sie wusste, dass die Zeit drängte, aber sie musste sich vergewissern, dass dem kostbaren Kleinod nichts geschehen war. Sie schlug das grobe Tuch zurück, in das sie es gehüllt hatte, und unwillkürlich entschlüpfte ihr ein überraschtes »O!«
    Auf ihrer Flucht hatte sie es noch im Wald von Auray in eine schwarze Moorpfütze getaucht, in der Hoffnung, dass es einem schmutzigen Eisenkreuz glich, falls es durch Zufall entdeckt werden sollte. Doch selbst der Albtraum ihrer Flucht hatte es nie in Gefahr gebracht. Jene grässliche Kreatur, die sich an ihr vergangen hatte, war nur an ihrem Körper und nicht an ihrem Besitz interessiert gewesen. Danach hatte ihr erbärmlicher Zustand niemanden mehr auf die Idee gebracht, sie könne einen wertvollen Gegenstand bei sich tragen. Es war ihr sogar möglich gewesen, das Kreuz nach ihrer Heimkehr in Locronan vor Dame Thilda zu verstecken.
    Fast hätte sie es selbst vergessen. Aber obwohl sie Gratien nicht mehr damit helfen konnte, wollte sie es dennoch Jean de Montfort zu treuen Händen überreichen. Es gehörte nicht ihr, nicht Mutter Elissa oder irgendeinem anderen Menschen. Es war ein Schatz dieses Landes, und der Mann, der über dieses Land herrschte, sollte dieses Juwel bewahren und an künftige Generationen weitergeben.
    Dass es nun so glänzend, fast unversehrt bis auf die fehlenden vier Sterne von Armor vor ihr lag, bannte sie auf die Stelle. Der getrocknete Schlamm war zu feinem Staub geworden, der nur noch Spuren im Tuch hinterließ. Obwohl kaum so groß wie die Hand eines Mannes, wirkte es mächtig, und Ysobel kam es vor, als blende der Schein des Goldes wie das Licht einer Lampe. Der Diamant in der Mitte der Kreuzbalken versprühte ein glitzerndes Feuer und war mit Sicherheit das Lösegeld eines ganzen Königreiches wert.
    Die junge Frau sah jedoch keinen materiellen Wert in diesem Kleinod. Als Tochter der Herren von Locronan empfand sie es eher wie ein vertrautes Familienerbstück. König Gradlon hatte dieses Kreuz angeblich bei sich getragen, als er mit seiner Tochter vor dem heranrauschenden Meer flüchtete. Am Ende hatte er Kind und Schmuck zurückgelassen, um der himmlischen Gerechtigkeit Raum zu geben. So behauptete es zumindest die Sage.
    Sie berührte mit den Fingerkuppen das Gold und fand es unerwartet warm. Es kam ihr vor, als strahle die Wärme bis in ihr Innerstes hinein. Eine Sonne, die das Eis taute und die schweren Krusten aufbrach, die ihr Herz umfangen hielten, seit sie nach Hause gekommen war und sich dort nicht mehr willkommen gefunden hatte. Das verwirrende Gefühl von Orientierungslosigkeit und Wurzellosigkeit verschwand mit einem Male.
    Ysobel sah sich wie erwachend um. Heilige Anna, sie stand im leeren Küchenhaus und betrachtete ihren Schatz, als hätte sie nichts Besseres zu tun. Das Versteck in der Kiste mit dem Scheuersand mochte ja gut gewesen sein, aber nun musste sie sehen, dass sie fortkam. Jos wartete vermutlich voller Ungeduld auf sie. Aber wenn er erst das Kreuz sah, würde er vieles begreifen. Warum sie das Risiko auf sich genommen hatte, warum sie unbedingt mit dem Herzog sprechen musste und ...
    Nein, mehr war da nicht. Mehr würde nie sein, und mehr durfte nicht sein. Sie würde Jean de Montfort bitten, ihr den Eintritt in ein anderes Kloster zu ermöglichen. Am besten unter einem anderem Namen und dieses Mal für immer. In einem hatte Dame Thilda doch recht behalten: Es gab auf dieser Erde keinen Platz für Ysobel de Locronan.
    Mit fliegenden Händen hüllte sie das unersetzliche Kleinod wieder in das Tuch und stopfte das ein wenig umfangreiche Paket so gut es ging in ihr Mieder. Welch ein Segen, dass die Scheuersandkiste niemanden dazu gereizt hatte, ihren Inhalt zu untersuchen. Der Rest des Küchenhauses der Burg wirkte indes wie ein Schlachtfeld.
    Die Eroberer hatten alles heruntergerissen und aufgeschlitzt, was ihnen von Interesse schien. Mehlsäcke und Getreidekisten, Zwiebelzöpfe und getrocknete Kräutersträuße bildeten ein wüstes Durcheinander mit Töpfen, zerschlagenen Essigkrügen und verschütteten Gewürzen. Die Siebe, größter Stolz einer jeden Köchin und eines jeden Kochs, waren aus ihrer Halterung gerissen und hingen quer über der größten Herdstelle. Welch ein Segen, dass ihre Mutter diese Verwüstung nicht mehr erlebt hatte! Zu ihrer Zeit war das Küchenhaus stets ein duftendes Märchenland von peinlicher Sauberkeit gewesen.
    Aus dem

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