Ysobel – Das Herz aus Diamant
Sicherheit. Jos würde sich um sie kümmern. Er hatte ihr sein Wort gegeben.
Sie schob Dame Thilda sanft zur Seite und bemühte sich, ihr nicht zusätzlich weh zu tun. Der Himmel hatte sie in seiner eigenen Gerechtigkeit bereits schrecklich genug gestraft. Blieb nur die Frage, weshalb diese Gerechtigkeit im Falle des Herzogs von St. Cado versagte?
»Mörder!«, wiederholte sie nicht minder inständig als zuvor und kam schwankend wieder auf ihre Füße. Sie musste sich am Altarblock festhalten, und der kühle kantige Stein verlieh ihr auf magische Weise neue Kräfte. »Ihr könnt mich töten, aber Ihr werdet die ganze Bretagne zum Schweigen bringen müssen, wenn Ihr nicht wollt, dass man Euch so nennt!«, spottete sie heiser.
»Niemand wird es mehr wagen, wenn ich das Kreuz von Ys trage!«, entgegnete er mit einer Selbstsicherheit, von der Ysobel nicht wusste, ob sie sie bewundern oder verlachen sollte.
»Das Kreuz von Ys ist zerstört wie Ihr selbst!«, erwiderte sie schwer atmend. »Ein jämmerliches Überbleibsel vergangener Stärke, das nichts mehr bewirkt! Ihr macht Euch lächerlich, wenn Ihr damit angebt!«
Es war ein Duell zwischen ihnen beiden. Sie beachteten weder Gordien noch die Männer mit den Fackeln. Im Gegensatz zu Ysobel war sich der Herzog von St. Cado dessen Anwesenheit jedoch bewusst. Er durfte nicht zulassen, dass ihn dieses lächerliche Nichts von einer Frau zum Gespött machte.
Ehe sie begriff, wie ihr geschah, warf ein neuerlicher Schlag sie zu Boden. Ihr Kopf dröhnte, ihre rechte Hüfte knallte auf die Stufen und brannte wie Feuer. Der Ruck presste ihr die Luft aus den Lungen, und zu dem Schmerz gesellte sich ein Erstickungsanfall. Kalter Schweiß trat ihr auf die Stirn, sie klapperte mit den Zähnen vor lauter Kälte. Ihr Körper zitterte unkontrolliert. Die Folgen des Schocks, den sie so lange unter Kontrolle gehalten hatte, brachen sich mit Macht Bahn. Feurige Blitze tanzten vor ihren Augen. Sie hörte nicht einmal mehr das Gelächter der Männer, die dem brutalen Heldenstück ihres Anführers Beifall zollten.
Ganz vage wurde ihr bewusst, dass jemand sie auf die Arme nahm und mit schnellem Schritt durch den Regen trug. Wohin? In diesem Moment wurde sie freigegeben und landete klatschend in eiskaltem Wasser! Es schlug ihr über dem Kopf zusammen, drang in Mund und Nase, raubte ihr den Atem. Prustend, kopflos, verstört und mit brennenden Lungen kämpfte sie wie eine Wilde gegen das Ertrinken. Sie schlug gegen Wände und erzwang endlich einen tiefen, befreienden Atemzug feuchter Nachtluft. Hustend und keuchend tauchte sie vollends auf und starrte aus weit aufgerissenen Augen auf ihren Peiniger.
»Das wird dich lehren, deine lästige Zunge künftig zu hüten!«, knurrte Paskal Cocherel. Er stand mit verschränkten Armen im Licht einer Fackel und genoss ihre Demütigung. »Bei der Gelegenheit kannst du dich wenigstens gleich waschen. Du stinkst wie eine Schweinemagd!«
Erst jetzt begriff Ysobel, dass der Schurke sie kurzerhand in die Pferdetränke geworfen hatte. Sie konnte von Glück sagen, dass die mächtige hölzerne Rinne nach dem Regen mit klarem, sauberem Wasser gefüllt war, wenngleich es natürlich eiskalt war. Sie strich sich stumm die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und rieb sich gehorsam mit tauben Fingern den Schlamm von der Haut. Sie tauchte sogar noch einmal mit angehaltenem Atem unter, um ihre Haare gründlicher abzuspülen. Der falsche Herzog konnte nicht ahnen, welch großen Gefallen er ihr mit dieser vermeintlichen Grausamkeit getan hatte.
»Das genügt!«, schnauzte er nach einiger Zeit und gab zwei Männern den Befehl, sie aus der Tränke zu heben. »Bringt sie in meine Kammer!«
Bibbernd vor Kälte und nasse Spuren hinterlassend, folgte Ysobel ihren Bewachern. Niemand machte sich die Mühe, ihr einen wärmenden und schützenden Umhang anzubieten. Mit den Kleidern, die ihr wie eine zweite Haut am Leib klebten, war sie allen Blicken schutzlos ausgeliefert. Trotzdem hielt sie den Kopf stolz erhoben. Die erbarmungslose Kälte des Wassers hatte ihrem geschundenen Körper eine Art gnädiger Betäubung geschenkt, und erst, als sie vor dem Kaminfeuer in Dame Thildas Kabinett in die Knie sank, entlockte ihr die Wärme einen leisen Laut der Erschöpfung.
»Dort in den Truhen sind Frauenkleider«, knurrte der Herzog und betrachtete sie in einer Art und Weise, die Ysobels schlimmste Befürchtungen weckte. »Zieh dir trockenes Zeug an und wirf diese Lumpen in den
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