Ysobel – Das Herz aus Diamant
Befürchtungen.
»Dieser verdammte Höllenhund! Wie hat er sie nur in seine Macht gebracht?«, fluchte Kèrven des Iles fuchsteufelswild. »Das Mädchen sieht aus, als würde es auch ohne seine schurkische Nachhilfe kaum den nächsten Tag überleben! Was können wir tun?«
Jean de Montfort warf dem Seigneur de Comper einen weiteren missbilligenden Blick zu. »Wir reiten zurück und beratschlagen. Bereitet Euch darauf vor, mir ein paar Fragen zu beantworten, Messire!«
Jos packte die Zügel fester. Ysobels Anblick auf den Zinnen der Burg hatte ihm einen solchen Schock versetzt, dass nicht einmal der Zorn des Herzogs ihn wirklich berührte. Er mied auch den Blick auf Raoul. Er wusste, dass sein Freund ihn stirnrunzelnd beobachtete. Verdammt, er konnte die Wahrheit nicht länger leugnen. Schon weil sie viele seiner Fragen auf höchst einfache und einleuchtende Weise beantwortete.
Gratien de Locronan war natürlich nicht Ysobels Liebhaber gewesen, sondern ihr verdammter Bruder! Aber dieser verwünschte Schwächling hatte die eigene Schwester nicht vor den Nachstellungen seiner Gemahlin geschützt. Er hatte tatenlos dabei zugesehen, wie sie als Spülmagd gedemütigt und von seinem Weib gequält wurde! Und trotzdem hatte Ysobel ihn geliebt! Trotzdem hatte sie unter seinem Tod gelitten und alles getan, damit die Ehre seines Namens nicht noch tiefer in den Schmutz gezogen wurde. Ein Name, der ihr auch das Recht einer persönlichen Audienz bei Jean de Montfort sicherte. Sie hätte es nicht einmal nötig gehabt, sich seiner, Jos’, Fürsprache bei ihm zu versichern. Ihr Adel war älter, gewichtiger und vornehmer als seiner!
Sie ritten ohne Aufenthalt in das Lager, das der Tross des Herzogs zwischen den einzelnen Fischerdörfern aufgeschlagen hatte. Jean de Montfort sprang vom Pferd, betrat das Zelt und riss sich den Umhang von den Schultern, ehe er die Männer, die ihm gefolgt waren, mit düsteren Blicken musterte. Auf Jos de Comper blieb sein Blick haften.
»Kann es sein, dass Ihr nicht gewusst habt, dass ich diese Frau im ganzen Land suchen lasse? Dass sie von Paskal Cocherel gejagt wird und das Schlimmste von ihm zu befürchten hat, wenn sie in seine Hände fällt?«
»Ihr habt mich vor dem Weihnachtsfest an die Küste geschickt«, erinnerte Jos ihn und biss die Zähne zusammen. Er machte sich selbst schon genug Vorwürfe, aber er war nicht bereit, die Schuld für etwas auf sich zu nehmen, das außerhalb seines Einflusses lag. Niemand hatte ihn über diese Suche informiert.
»Das stimmt«, musste Jean de Montfort zugeben. Er ließ sich mit einem schweren Seufzer auf einem Hocker nieder. »Gütiger Himmel, ausgerechnet sie! Es wäre besser für uns alle, wenn sie tatsächlich den Tod gefunden hätte.«
Jos erstickte fast an seinem Widerspruch, aber er hielt den Mund. Sein Verstand sagte ihm, dass der Herzog nichts als die reine Wahrheit ausgesprochen hatte.
»Du kannst von Glück sagen, dass du über Nacht zu einem kostbaren Pfand geworden bist!« Paskal Cocherel baute sich vor seiner Geisel auf und bleckte die gelblichen Zähne. »Andernfalls ...«
Ysobel hüllte sich enger in den weiten Umhang, der betäubend nach Männerschweiß und Pferd roch und alles andere als sauber war. Trotzdem war sie selten für ein Kleidungsstück dermaßen dankbar gewesen. Als der Alte sie von ihren Fesseln befreite, hatte sie im ersten Moment gefürchtet, er würde sie nackt und bloß nach oben zerren. Als Krönung einer Demütigung, die sie vor lauter Angst halb närrisch hatte werden lassen. Es fiel ihr immer noch schwer zu begreifen, was geschehen war. Gefesselt auf der Streckbank waren die restlichen Stunden der Nacht zu einer Folter der eigenen Gedanken geworden.
Jean de Montfort wird seine Pläne nicht von meiner Person beeinflussen lassen«, murmelte sie heiser. »Weshalb sollte er das tun?«
»Weil er immer noch hofft, dass du ihm das Kreuz von Ys verschaffen kannst, mein Engel!«, grinste der Söldnerführer und klopfte triumphierend gegen sein Wams, wo sich das kostbare Stück befand. »Er weiß, dass sich das Volk der Bretonen unter dieses Symbol beugen wird. Dass damit der Frieden symbolisiert und seine Regierung gefestigt wird. Aber es ist meine Regierung, mein Land, meine Macht!«
Ysobel betrachtete ihn mit zunehmendem Entsetzen. Er war verrückt. Irr vor Ehrgeiz und gleichzeitig von wunderlicher Einfalt in seinem bedingungslosen Glauben an das mächtige Kreuz von Ys. »Er wird diese Burg dem Erdboden
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