Yvonne Lindsay
Urteilsfähigkeit schwer eingeschränkt gewesen.
Als er sie das erste Mal gesehen hatte, war er gleich wie verzaubert gewesen. Sie war groß und schlank wie ihre Schwester Briana, wirkte dabei aber sehr weiblich und etwas schutzbedürftig, was sofort seine männlichen Instinkte ansprach. Außerdem hatte sie einen Charme, dem sich kein Mann entziehen konnte.
Damals arbeitete sie in der Marketingabteilung von Blackstone Diamonds. Sie liebte ihren Job und war stolz auf ihn. Und er hatte sie durch die Heirat sozusagen gezwungen, alles, was ihr wichtig war, aufzugeben und mit ihm nach Neuseeland zu ziehen. In seiner Überheblichkeit hatte er geglaubt, dass seine Liebe sie dafür entschädigen würde. Aber er hatte sich bitter getäuscht.
Unwillkürlich musste er daran denken, wie er sie zuletzt gesehen hatte, still und weiß in der Stahlschublade des Leichenschauhauses. Es überlief ihn eiskalt, und er ließ das Foto in die Aktentasche gleiten. Das Bild aus den glücklichen Tagen würde er später Blake geben. Offenbar hielt Rachel die Erinnerung an Marise wach. Denn jeden Abend forderte sie den Jungen auf, seiner Mutter zu erzählen, was er erlebt hatte. Wenn Blake ein Foto der Mutter hatte, würde er auch eher begreifen, dass nicht Rachel, sondern Marise seine Mutter war. Und die Trennung von Rachel würde ihm leichter fallen.
Bevor er die Aktentasche schloss, blieb sein Blick noch einmal auf dem Foto hängen. Irgendetwas fiel ihm daran auf, aber er wusste nicht genau, was. Erst als er im Auto saß und Richtung Auckland Bridge fuhr, kam ihm die Erleuchtung.
Normalerweise hatte Marise das Haar leicht in die Stirn gekämmt getragen. Aber auf dem Foto hielt sie das Gesicht in den Wind, sodass die Stirn frei war. Und das war es, was ihm aufgefallen war. Sie hatte diesen sehr typischen Haaransatz der Blackstones. Zwar nicht voll ausgeprägt und auch ein bisschen weniger auffällig als Blake, aber dennoch gut zu erkennen. Wie konnte das sein? Weder ihre Schwester noch die Eltern hatten diesen Haaransatz.
Warum war ihm das nicht früher aufgefallen? Natürlich war es bisher nur eine Vermutung, aber wenn sie zutraf, dann musste er sich den Vorwurf machen, den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen zu haben.
Er hatte schon recht gehabt mit seinem Verdacht. Ho-ward Blackstone hatte ein uneheliches Kind gehabt. Blake war es nicht. Konnte es etwa Marise gewesen sein?
8. KAPITEL
Matt goss sich einen doppelten Whiskey ein und führte das Glas langsam zum Mund.
Er hatte recht. Das hatte er ja gleich geahnt, er hatte es nur noch beweisen müssen. Sein Schreibtisch war übersät mit Fotos und Zeitungsausschnitten von Marise und Ho-ward, von Barbara und Ray Davenport sowie von Briana.
Der Beweis lag direkt vor ihm.
Barbara und Ray, die Eltern von Marise und Briana, schienen eine relativ glückliche Ehe geführt zu haben, aber wenn die Gerüchte stimmten, hatten auch sie Krisen durchgemacht. Immerhin war Barbara vor dreißig Jahren Howards Sekretärin gewesen, und es sah beinahe so aus, als hätten sie mehr als eine Arbeitsbeziehung gehabt. Steckte sie vielleicht auch hinter dem Diebstahl des Colliers?
Aber wie war sie an die Blackstone Rose herangekommen? War sie auch auf der Party zu Ursulas dreißigstem Geburtstag gewesen? Dass seine Eltern da gewesen waren, wusste er. Da es aber für Katherine sehr schmerzlich zu sein schien, sich an diesen traurigen Geburtstag zu erinnern, wollte er sie nicht noch einmal darauf ansprechen und fragen, ob Barbara auch eingeladen gewesen war. Vielleicht wusste Briana Näheres. Damals war sie zwar noch nicht auf der Welt gewesen, aber in allen beteiligten Familien war immer wieder über diesen Geburtstag und den Diebstahl des Colliers gesprochen worden.
Nach einem kurzen Blick auf die Uhr entschloss er sich, Briana, die seit Kurzem mit seinem Bruder Jarrod verheiratet war, in Melbourne anzurufen. Der Zeitunterschied zwischen Auckland und Melbourne betrug zwei Stunden. Also war es noch nicht zu spät. Außerdem hatte er sich sowieso endlich mal wieder bei Jarrod melden wollen.
Eine Stunde später legte Matt langsam den Hörer wieder auf. Das, was Briana ihm erzählt hatte, erhärtete seinen Verdacht, dass ihre Mutter Barbara ein Kind von Howard hatte. Wahrscheinlich war sie zur Zeit der Geburtstagsfeier bereits schwanger gewesen. Warum sie das Collier gestohlen hatte, konnte er bisher nur vage vermuten. Allerdings war er ziemlich sicher, dass Howard von der Schwangerschaft nichts wissen
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