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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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konnte nicht mal ihren Namen sagen. Kaum
    überraschend. War sie nicht auch verantwortlich für diesen Lachanfall vor Gericht im vergangenen Herbst? Und hatte sie danach nicht
    betrunken ihren Wagen zu Schrott gefahren und war im Krankenhaus
    gelandet? Irgendwas in der Richtung. Hatte Jake sie nicht kurz darauf verlassen und war bei einer Freundin eingezogen? Hatte er nicht sowieso immer was nebenbei laufen gehabt? Vielleicht hatten sie darüber in der Trattoria gestritten. Vielleicht hatte sie deswegen so viel getrunken. Der arme Alan Peters. Er wollte nur Hallo sagen. Haben Sie schon gehört?
    Man konnte die Abdrücke von Jakes Fingern auf seinem Hals sehen. Der arme Mann war von Blutergüssen regelrecht übersät. Er konnte eine
    ganze Woche lang nicht sprechen.
    Jake ließ den Prospekt , in dem er geblättert hatte , eine Broschüre des im Herzen des Quartier Latin gelegenen Hotel Danielle, auf den kleinen Stapel mit Reiseprospekten fallen, der sich im Laufe der Wochen
    angesammelt hatte, und schob seinen Stuhl zurück. Er stand auf, knöpfte die Jacke seines olivgrünen Anzugs zu, strich die nicht existenten Falten seiner gelb-grünen Krawatte glatt und atmete tief ein, bevor er seine Bürotür aufriss und ins Vorzimmer trat. »Ich bin in Frank Richardsons Büro, wenn Sie mich erreichen müssen« , informierte er seine Sekretärin.
    »Sie haben in zwanzig Minuten einen Termin. Cynthia Broome«, fügte
    sie hinzu, als sie seinen fragenden Blick bemerkte.
    »Habe ich die schon mal getroffen?« Warum konnte er sich an nichts
    mehr erinnern? Diesen Wortwechsel hatten sie heute schon mindestens
    einmal geführt.
    »Nein, es ist der erste Termin.«
    Jake nickte halb erleichtert, halb beunruhigt und ging ohne einen Blick für die sanften Landschaften und Blumenstillleben , die die Wände zierten, den langen Flur hinunter. Seit er angefangen hatte, Mattie bei Erkundungsmissionen in diverse Galerien zu begleiten, hatte er gelernt , zwischen echter und lediglich dekorativer Kunst zu unterscheiden. Jake hatte der Kunst zuvor nie viele Gedanken gewidmet und ihr Studium
    offen gestanden stets für Zeitverschwendung gehalten, eine Ablenkung von wirklich wichtigen Dingen. Worin bestand letztendlich der
    Unterschied zwischen Impressionismus und Expressionismus ,
    Klassizismus und Kubismus , zwischen Monet und Mondrian, Dali und Degas?
    Jake lachte. Es war ein Riesenunterschied, wie er eines Besseren
    belehrt worden war. Er wusste, dass ihm mindestens ein Dutzend
    Augenpaare folgten. Was glotzt ihr so? Er war versucht, die
    Sekretärinnen anzubrüllen, damit sie auf ihre Kosten kamen, als er an einem unaufgeräumten Schreibtisch nach dem anderen vorbeiging. Doch
    er sagte nichts, ignorierte ihr vielsagendes Lächeln und das vernehmliche Getuschel, als er um die Ecke bog und auf die Tür am anderen Ende des cremefarbenen Flures zuging. »Cynthia Broome«, wiederholte er
    mehrmals laut, um seine Gedanken wieder auf seinen Job zu lenken , und fragte sich , wer sie war und was sie von ihm wollte. Hoffentlich nicht wieder so eine verdammte Reporterin , dachte er und wünschte sich nur, dass es ein leichter Fall sein würde, etwas, was ihm nicht allzu viel Konzentration abverlangen würde. Er hatte schon die ganze Woche
    Probleme, sich zu konzentrieren. Wahrscheinlich weil er insgeheim damit gerechnet hatte, dass jeden Moment die Polizei bei ihm hereinplatzte, ihm seine Rechte vorlas und ihn wegen tätlichen Angriffs gegen einen Kollegen seines hoch geachteten Standes verhaftete.
    »Du solltest ihn wirklich anrufen und dich entschuldigen«, hatte
    Mattie ihn die ganze Woche gedrängt. Ihre Sprechfähigkeit war mehr
    oder weniger wiederhergestellt.
    »Kommt überhaupt nicht in Frage«, beharrte Jake stur. Nie im Leben
    würde er sich bei einem eierköpfigen Wichser entschuldigen, der seine Frau beleidigt hatte. Das Arschloch hatte gut daran getan, ihm die ganze Woche aus dem Weg zu gehen. Jake wusste nicht, was er vielleicht tun würde, wenn er ihm im Flur begegnete. Peters fetter Hals hatte sich verdammt gut angefühlt zwischen seinen Händen.
    Nicht, dass Jake sich in den vergangenen Tagen nicht ausgiebig
    entschuldigt hätte. »Tut mir Leid, dass ich so ein Arsch war«, erklärte er Mattie wiederholt.
    »Ich war diejenige, die sich danebenbenommen hat«, erwiderte sie
    jedes Mal rasch. »Was musste ich auch die Amateurpsychologin spielen.«
    »Du hast gesagt , meine Schuldgefühle wären eine Art, an Luke festzuhalten. Glaubst du

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