Zähl nicht die Stunden
erzählt?«, sagte Annie Turofsky schrill und vorwurfsvoll.
»Wann sind sie denn gefahren?«, fragte Jodie Bates.
»Und was noch wichtiger ist«, übernahm wieder Caroline, »wie lange
bleiben sie weg?«
»Sie sind letzte Woche geflogen« , antwortete Kim und genoss die wiedererwachte Aufmerksamkeit ihrer Mitschülerinnen. »Und sie
kommen am Mittwoch zurück.«
»Verstehe ich das richtig«, sagte Caroline, »dass du bei deiner
Großmutter gewohnt hast, während euer schönes Haus leer gestanden
hat?«
»Eigentlich eine Schande, oder?«, sagte Kim.
»Eine echte Verschwendung«, stimmte Caroline ihr zu.
»Denkst du dasselbe, was wir denken?«, fragte Jodi Bates.
»Dass es eine Schande ist, wenn ein so schönes großes Haus das
ganze Wochenende ganz alleine ist?«
»Vor allem, wo es eine Party gibt, die nur noch einen Ort sucht, wo
sie steigen kann.«
»Du stellst die Räumlichkeiten«, schlug Caroline vor. »Wir stellen die Gäste. Jeder bringt seine eigenen Getränke und so mit. Wie klingt das?«
»Klingt super.«
»Ich kann die Nachricht noch vor der nächsten Unterrichtsstunde auf
den Weg bringen« , sagte Annie.
Kim atmete tief ein. Was konnte das schaden? Ihre Großmutter
würde bestimmt nicht groß nachfragen, wenn sie am Samstagabend ein
paar Stunden ausging. Ihre Eltern waren auf der anderen Seite der Welt.
Sie würde vorsichtig sein, darauf achten, dass alle sich benahmen. Keine Drogen, keinen hochprozentigen Alkohol. »Keine uneingeladenen
Gäste«, sagte sie laut.
»Kein Problem«, sagte Jodi. »Nur der engere Kreis«, stimmte Caroline ihr zu.
»Ich weiß nicht.« Kim schwankte. »Vielleicht ist es doch keine so gute Idee.«
Doch Annie war schon auf halbem Weg den Flur hinunter und rief
jedem, der ihr entgegenkam, zu: »Party bei Kim Hart. Morgen Abend.
Neun Uhr.«
Party bei Kim, hallte es von den Wänden wider. Morgen Abend. Neun Uhr.
Party bei Kim. Party bei Kim. Party bei Kim.
»Was meinst du, wie stehen meine Chancen, unsere Kellnerin zu
überreden, eines dieser Brötchen gegen ein weiteres Croissant
einzutauschen?«, fragte Jake und lächelte Mattie an, während er mit dem harten Brötchen gegen die Tischkante klopfte. Sie saßen in dem kleinen, von Fenstern gesäumten Frühstücksraum hinter dem Fahrstuhlschacht
auf der Rückseite ihres Hotels. Es war neun Uhr morgens. Draußen
prasselte der Regen mit derartiger Heftigkeit nieder , dass er den Blick auf die mittlerweile vertraute Reihe von kleinen Boutiquen und Cafes
verschleierte.
Es regnete seit mindestens vier Stunden, schätzte Mattie und
unterdrückte ein Gähnen. Es hatte schon geregnet, als sie sich heute Morgen um fünf auf die Toilette geschlichen hatte, ohne Jake zu wecken, der so zufrieden schnarchte, dass sie es nicht übers Herz brachte, ihn zu stören. Als sie fünf Minuten später inzwischen hellwach auf die
Toilettenschüssel sank, hatte es sogar noch heftiger geregnet.
Regentropfen trommelten gegen das Badezimmerfenster über ihrem
Kopf, als verlangten sie Einlass, während sie mit dem Toilettenpapier kämpfte und große Mühe hatte, ein Stück abzureißen und zu benutzen.
Wie lange würde es noch dauern, bis diese intimste Körperfunktion nicht mehr ihrer Kontrolle unterlag, bis eine so schlichte Verrichtung, wie sich den Hintern abzuwischen, ihr buchstäblich aus den Händen genommen
wurde? Der Regen begleitete sie zurück ins Bett, wo sie neben ihrem Mann unter die Decke kroch und stundenlang den wütend ans Fenster
prasselnden Tropfen lauschte, bis Jake aufwachte. Bei Regen war es leichter , nichts zu denken, stellte Mattie fest und ließ sich von dem immer wütender tobenden Sturm auf eine eigenartige Weise einlullen.
»Du kennst die Gesetze dieses Landes«, sagte sie jetzt. »Ein weiches Croissant, ein kieferbrechendes Brötchen.« Sie führte die Tasse
schwarzen Kaffee an ihre Lippen und hoffte, dass ein Koffeinschub sie mit der nötigen Energie für einen Kickstart in den Tag versorgen würde.
In Wahrheit wollte sie bloß wieder nach oben gehen und ins Bett
kriechen. Hatte sie Jake nicht versprochen, dass sie es nicht übertreiben würde, dass sie ihm sagen würde, wenn sie müde war? Ein paar weitere Stunden Schlaf - das war alles, was sie brauchte. Vielleicht würde es in ein paar Stunden auch aufhören zu regnen.
»Ich freue mich wirklich auf den Vormittag« , sagte Jake, während wundersamerweise ein Reiseführer in seinen Händen auftauchte. »Hör
dir das an: ›Das
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