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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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er, als sie im Gerichtsgebäude waren. »Wir –«
    »Ich muss mal zur Toilette.« Sie verschwand hinter der Tür zur
    Damentoilette und erschien erst nach über einer Viertelstunde wieder , als Jake bereits Zweifel kamen , ob sie überhaupt wieder herauskommen würde.
    Und jetzt saß sie da hinten in der vierten Reihe in der Mitte und
    machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Es sah aus , als hätte sie gute Lust, einfach aufzustehen und zu gehen. Ich hätte nicht darauf bestehen sollen , dass sie mitkommt, dachte Jake und fragte sich, was er damit überhaupt hatte erreichen wollen.
    »Nora hat an dem Abend um sieben Uhr bei mir angerufen«, begann
    Leo Butler mit tiefer Baritonstimme, die ruhig und selbstsicher klang.
    »Sie behauptete , sie müsste mich sofort sehen, es gäbe Probleme mit Sheena, unserer Tochter. Mehr wollte sie mir nicht dazu sagen.«
    »Und daraufhin sind Sie nach Lake Forest hinausgefahren?«
    »Ja.«
    »Was geschah , als Sie dort ankamen?«
    »Nora erwartete mich an der Haustür. Ich sagte zu Kelly , sie solle im Wagen warten –«
    »Kelly?«
    »Kelly Myerson , meine Verlobte.« c
    »Fahren Sie fort.«
    Leo Butler hüstelte gekünstelt hinter vorgehaltener Hand. »Ich bin mit Nora ins Haus gegangen. Sie hat geweint und war völlig außer sich. Es war kein vernünftiges Wort aus ihr rauszukriegen. Ich hab gleich
    gesehen , dass sie getrunken hatte.«
    »Einspruch« , rief Jake.
    »Euer Ehren« , sagte die Anklägerin schnell, »Leo und Nora Butler waren mehr als dreißig Jahre lang miteinander verheiratet. Ich denke, da ist Mr. Butler sehr wohl im Stande zu erkennen, wann sie getrunken hat und wann nicht.«
    »Ich werde das zulassen«, sagte Richter Pearlman.
    »Fahren Sie fort, Mr. Butler«, forderte Eileen Rogers ihren Zeugen auf.
    »Nora gab zu, dass es unserer Tochter gut ging und sie sie nur als Vorwand benutzt hatte, um mich nach Lake Forest rauszulotsen. Sie
    sagte, sie habe die Scheidungsunterlagen von meinen Anwälten erhalten und sich wahnsinnig aufgeregt, mein Angebot sei eine Unverschämtheit und sie sei überhaupt nicht bereit, sich scheiden zu lassen. Ich solle wieder nach Hause kommen , ich solle nicht mit Kelly auf die Party gehen , und so ging es unentwegt weiter. Sie wurde immer hysterischer.
    Ich hab versucht, vernünftig mit ihr zu reden. Ich habe sie daran
    erinnert , dass unsere Ehe schon seit langer Zeit nicht mehr in Ordnung war und wir uns eigentlich nur noch gegenseitig unglücklich gemacht haben.«
    Keiner habe Schuld, sie sei ohne ihn bestimmt besser daran, fuhr Jake im Stillen fort und fühlte sich dabei äußerst unbehaglich.
    »Auf einmal hörte Nora auf zu weinen«, sagte Leo Butler, und sein
    Blick spiegelte selbst jetzt noch seine Verwirrung. »Sie wurde ganz still, und ihr Gesicht veränderte sich, es bekam einen ganz fremden
    Ausdruck. Sie sagte, wenn ich schon den weiten Weg nach Lake Forest
    auf mich genommen hätte, könnte ich mir vielleicht mal das Neonlicht über der Arbeitsplatte in der Küche ansehen, es mache seit einiger Zeit so ein komisches Geräusch. Ich sagte, wahrscheinlich müsste nur die Röhre ausgewechselt werden, und sie fragte , ob ich das für sie tun würde. Ich dachte , okay , du wechselst das blöde Ding aus und verschwindest dann auf schnellstem Weg. Ich ging also in die Küche , und plötzlich hörte ich so einen dumpfen Knall und kriegte im selben Moment einen Schlag gegen die Schulter. Es war fast so , als hätte mich jemand mit Wucht gestoßen. Dann hörte ich noch so einen Knall und
    dann wieder einen. Im nächsten Moment lag ich auf dem Boden, und
    Nora stand mit einer Pistole in der Hand über mir. Ihr Gesicht hatte immer noch diesen unheimlichen Ausdruck. Erst da wurde mir klar, dass mich ein Schuss getroffen hatte. Ich sagte so was wie ›Mein Gott, Nora, was hast du getan ?‹, aber sie reagierte gar nicht. Sie setzte sich nur neben mich auf den Boden. Es war wirklich gespenstisch. Ich sagte, sie solle neun-eins-neun anrufen, und das tat sie. Später hörte ich, dass Kelly schon vorher angerufen hatte. Ich habe im Rettungswagen auf dem Weg
    ins Krankenhaus das Bewusstsein verloren.« »Wie oft war auf Sie
    geschossen worden, Mr. Butler?«
    »Sechs Mal. Es ist ein Wunder , dass keiner der sechs Schüsse ein lebenswichtiges Organ getroffen hat. Ich bin heute nur noch am Leben , weil meine Ex-Frau so eine lausige Schützin ist.«
    Im Gerichtssaal wurde gelacht. Jake lauschte , versuchte zu hören , ob seine Tochter

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