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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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misshandelt worden waren. Oft hatte sie ihn danach fragen wollen, und jetzt bot er ihr die perfekte Gelegenheit dazu, aber sie würde ihm den Gefallen nicht tun. Er sieht ziemlich erschöpft aus, dachte sie und hatte beinahe Mitleid mit ihm.
    »Müssen wir nicht ins Gericht zurück?«, fragte sie.
    Er sah auf seine Uhr und bestellte sofort beim Kellner die Rechnung.
    In Windeseile legte er das Geld passend auf den Tisch und stand auf, um mit Kim zu gehen.
    »Jake«, rief irgendwo hinter ihnen eine Frau.
    Kim drehte sich herum. Jess Cousins oder Kostner oder wie sie sonst
    hieß, kam auf sie zu. Ihr Vater machte sie und Kim miteinander bekannt.
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte Jake.
    »Gut, danke.« Jess Koster blickte von Jake zu Kim und dann wieder
    zu Jake. »Kann ich Sie einen Moment sprechen?«
    »Gern.«
    »Ich warte draußen«, sagte Kim.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?«, hörte sie ihren Vater fragen, als sie die Tür aufdrückte und zur Straße hinaustrat, wo sogleich der Wind seine Worte aufgriff. Etwas nicht in Ordnung?, pfiff der Wind. Etwas nicht in Ordnung? Etwas nicht in Ordnung?
    16

    Mattie stand an der offenen Tür zum Gästezimmer und betrachtete
    Jakes ungemachtes Bett. Er hatte zwar, typisch für ihn, die gelb-weiß gestreifte Steppdecke über das Bett geworfen, sodass es aussah, als wäre es gemacht , aber die zerknitterten Lakenzipfel , die überall heraushingen , verrieten Mattie , dass der Schein trog. Wie kann ein Mensch in einem völlig zerwühlten Bett gut schlafen? , dachte sie und ging hin , um ein bisschen Ordnung zu machen. Aber als sie eines der Kissen ergriff, um es aufzuschütteln, musste sie mit ansehen, wie es ihr aus der Hand flog und auf dem Nachttisch landete, wo es beinahe den weißen Schirm von
    der Porzellanlampe gerissen hätte.
    »Hey, das war klasse«, sagte sie laut und ließ sich aufs Bett fallen.
    »Und nun meine nächste Nummer.« Sie packte das Kissen, drückte es
    hinter sich an die Rückenlehne und legte die Beine hoch.
    Es war fast fünf, stellte sie mit einem Blick auf ihre Uhr fest. Jake und Kim würden bald nach Hause kommen. Sie sollte mit dem Abendessen
    anfangen, aber ihr fehlte die Lust. Vielleicht würden sie einfach etwas kommen lassen.
    Mattie schloss die Augen und atmete Jakes Geruch ein, der dem
    Kissen in ihrem Nacken entströmte. Das Kitzeln des Kissenzipfels an
    ihrem Hals war wie die Liebkosung eines Liebhabers. Sie gestand sich ein, dass sie Jakes Duft immer geliebt hatte, und stellte sich Jakes Lippen an ihrem Hals vor, seine Zunge an ihrem Haaransatz, als er sein Gesicht tief in ihr Haar grub. Sie hörte sich seufzen und machte die Augen auf.
    »Lass das«, sagte sie laut und konnte doch nicht verhindern, dass die Erinnerung an Jakes Hände sie berührte, zärtlich über ihre Brüste und ihren Bauch strich. Sie schloss die Augen wieder und rutschte tiefer, bis sie lang ausgestreckt auf dem Bett lag. Plötzlich war Jake überall – neben ihr, über ihr, unter ihr, auf ihr. Sie fühlte das Gewicht seines Körpers, spürte, wie er mit seinen Beinen behutsam die ihren auseinander drückte.
    »Kommt nicht in Frage!« Energisch setzte sie sich mit einem Ruck
    auf. »Das tu ich nicht.«
    Ganz bestimmt nicht, dachte sie. In den drei Monaten seit Jakes
    Rückkehr hatten sie praktisch überhaupt keinen körperlichen Kontakt
    gehabt. Er hatte ohne Diskussion seine Sachen ins Gästezimmer
    gebracht, als hielte er es für selbstverständlich, dass Mattie es so wollte.
    Wahrscheinlicher war, dass er es so wollte. Sie lebten de facto getrennt.
    Jakes Zuhause war sein Arbeitszimmer und das Gästezimmer, während
    Mattie sich mit Kim den Rest des Hauses teilte. Jake kam gelegentlich zu Besuch, aber meistens blieb er der Außenseiter, der er immer gewesen war. Er bemühte sich, da zu sein, hielt aber immer sicheren Abstand.
    Selbst an seinem Tageslauf hatte sich nicht viel geändert. Er arbeitete immer noch durchschnittlich zehn Stunden am Tag – vorausgesetzt
    natürlich, er arbeitete tatsächlich und verbrachte die Zeit nicht mit seiner Freundin, seinem Honigplätzchen Honey, dachte Mattie mit bitterem
    Spott. Sie wusste, dass Jake, selbst wenn er zu Hause war, mit seinen Gedanken Lichtjahre entfernt war. In der Kanzlei. Im Gericht. In ihrer Wohnung. Auch wenn er ausnahmsweise einmal einen ganzen Abend
    lang körperlich an ihrer Seite saß, war er im Geist doch ganz woanders.
    Sein Körper. Mattie sah ihn neben sich liegen, nackt und entspannt , während ihre

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