Zähl nicht die Stunden
wie ein ertappter Missetäter.
»Entschuldige bitte , Mattie« , stammelte er. »Ich hatte wirklich vor , mehr zu Hause zu sein.«
Mattie brauchte einen Moment , um die Verbindung herzustellen.
»Jake , das sollte doch nicht heißen –«
»Es war nur eine solche Hektik –«
»Ich wollte doch bloß –«
»- mit dem Prozess und –«
»Wirklich, Jake, ich wollte nicht sagen –« – v
»Sobald der Prozess vorbei ist –«
»Hör auf, dich zu entschuldigen« , sagte Mattie.
Hör auf, dich zu entschuldigen, kam das Echo aus Honeys Mund.
Mattie drückte hastig eine Hand auf die Lippen und sah ihren Mann
an. Würde er sein Leben damit verbringen, sich bei Frauen zu
entschuldigen. Um Verzeihung und Absolution zu bitten?
»Was ist das?«, fragte Jake.
»Was?« Matties Blick schweifte zu einem jungen Paar, das heftig
gestikulierend vor dem Foto der grimmig dreinschauenden Frau im
goldgesprenkelten blauen Kleid stand.
»An deiner Hand.« Jake hielt Matties linke Hand fest und drehte sie herum, ehe Mattie sie ihm entziehen konnte.
Sie murmelte etwas davon, dass sie sich eine Telefonnummer habe
aufschreiben müssen und keinen Zettel zur Hand gehabt hätte. Keine
Lüge. Aber auch nicht die Wahrheit. Jake schien die Erklärung zu
akzeptieren. Warum auch nicht?, dachte Mattie, als sie ihre Hand in die Tasche schob. Sie hatte Genuschel dieser Art jahrelang akzeptiert.
»Meinst du wirklich, dass das über dem Sofa in meinem Arbeitszimmer
gut aussehen würde?« Jake hatte sich wieder der Fotografie zugewandt.
Jetzt wusste sie nicht, ob es ihm ernst war. »Was meinst du denn?«, fragte sie.
»Ich finde, es ist perfekt.« Er lachte.
»Das Bild geht an den Herrn mit dem ansteckenden Lachen.« Mattie
lachte mit ihm.
»Danke, dass du mich mitgenommen hast«, sagte Jake, nachdem sie
die Formalitäten für den Kauf des Bildes erledigt hatten. »Es hat mir wirklich gefallen.«
»Danke dir«, erwiderte Mattie. »Ich kann mir vorstellen, dass du lieber woanders gewesen wärst.«
Sie hat das ohne mein Wissen geplant. Ich kann da jetzt nicht mehr abspringen.
»Nicht dass ich wüsste.« Jake schaffte es, die Worte überzeugend
klingen zu lassen. »Hey, es ist schon spät. Hast du Hunger?«
Mattie nickte, als er ihren Arm nahm. »Und wie«, sagte sie.
Das Restaurant war bereits hoffnungslos überfüllt , als Mattie und Jake um kurz nach sieben durch die Glastür traten. In einem kleinen Vestibül standen die Gäste , die auf Tische warteten, zusammengepfercht wie herausgeputzte Sardinen. Diverse zarte Düfte kämpften auf verlorenem Posten mit einer Anzahl derberer Gerüche, wie etwa das Aroma eines
Zigarillo in der Hand einer jungen Frau mit Pferdeschwanz, die an der Bar saß.
»Entschuldigen Sie, aber wir haben reserviert« , hörte Mattie jemanden sagen.
»Jeder hier hat reserviert«, lautete die ernüchternde Erwiderung des Obers, der die Tische zuwies.
»Hier scheint ja halb Chicago angetanzt zu sein.« Jake musste
schreien , um das Stimmengewirr der ungeduldig Wartenden zu übertönen. »So ist das , wenn ein Restaurant gute Kritiken bekommt« , sagte Mattie.
Jake deutete ihr mit einer Handbewegung, dass er sie nicht verstehen konnte , und neigte sich ihr entgegen, um sein Ohr näher an ihren Mund zu bringen. Mattie beugte sich vor und wiederholte , was sie gesagt hatte.
Ihre Nase streifte leicht seinen Hals , und sie dachte gerade, wie wunderbar er roch, als eine Frau sie von hinten anrempelte. Sie verlor den Halt, stolperte, und ihre Lippen berührten Jakes Ohr.
Er hielt sie fest, ehe sie fallen konnte. »Alles okay?«
Sie nickte und spähte über die Menge hinweg in den Saal, der sich
kaum von anderen teuren Restaurants in der Gegend unterschied – ein
großer quadratischer Raum, in dem zu viele Tische auf zu wenig Fläche zusammengedrängt waren, zu viele Spiegel, auf der einen Seite Nischen mit samtbezogenen Sitzbänken , auf der anderen Seite eine Bar.
»Da ist Stephanie!« Mattie wies zur hintersten Nische , wo eine Weiße mittleren Alters mit hell gesträhntem Haar gerade einen jungen
Schwarzen leidenschaftlich umarmte.
Im Zickzackkurs suchten sich Mattie und Jake einen Weg zwischen
den Tischen.
»Mattie?«
Jemand berührte ihren Arm.
Sie sah sich um. Roy Crawford sprang von seinem Stuhl auf und trat
auf Mattie zu , um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. »Ich sehe, ich bin nicht der Einzige, der die Restaurantbesprechungen liest. Wie geht es Ihnen? Sie sehen großartig
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