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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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aus.«
    »Danke. Sie aber auch.« Mit einem Lächeln sah Mattie ihm in die
    leicht spöttisch blitzenden Augen.
    »Darf ich Sie mit Tracey bekannt machen.« Roy Crawford wies auf die
    Blondine, die mit ihm am Tisch saß.
    »Mit e-y«, spezifizierte Tracey.
    Mattie nahm die überflüssige Information mit einem Nicken zur
    Kenntnis und machte ihrerseits Jake mit Roy und seiner Begleiterin bekannt.
    »Sehr erfreut.« Die beiden Männer tauschten einen Händedruck.
    »Roy ist ein Kunde von mir.«
    »Ah ja« , sagte Jake leichthin , als wäre ihm etwas anderes nie in den Sinn gekommen. »Dann muss Mattie Ihnen unbedingt von der
    hervorragenden Ausstellung erzählen, die wir eben besucht haben.«
    »Das will ich hoffen« , sagte Roy Crawford augenzwinkernd.
    »Ein sympathischer Mann« , bemerkte Jake , als sie weitergingen. »Seine Tochter ist ein hübsches Ding.«
    Mattie lächelte, ohne sich die Mühe zu machen, ihn aufzuklären.
    Tracey mit e-y, dachte sie, und da hatten sie schon ihren Tisch erreicht, wo Stephanie und Enoch ganz ineinander versunken auf der roten
    Plüschbank saßen und keinen Blick an ihre Umwelt verschwendeten.
    Mattie räusperte sich. »Entschuldigt. Ich störe wirklich nicht gern«, sagte sie und wurde sich bewusst, dass das genau der Wahrheit
    entsprach.
    Stephanie sprang auf. »Ach, da seid ihr ja! Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
    »Das sieht man.«
    »Kommt, ich mache euch mit meinem Herzblatt bekannt.«
    Mattie und Jake blickten peinlich berührt zu Boden.
    Jedem sein Herzblatt, dachte Mattie. Sein Herzblatt oder sein
    Honigplätzchen.
    Enoch Porter küsste sie leicht auf die Wange, beinahe auf dieselbe
    Stelle, die kurz vorher Roy Crawford geküsst hatte.
    »Ist er nicht absolut hinreißend?«., flüsterte Stephanie begeistert.
    »Doch, er ist ziemlich hinreißend« , stimmte Mattie zu , während Enoch und Jake sich miteinander bekannt machten.
    »Eine Haut , sag ich dir! Wie Samt« , schwärmte Stephanie. »Ja, er scheint nett zu sein.«
    »Was heißt hier nett?«, flüsterte Stephanie. Sie hielt die Hand vor den Mund und sagte in vertraulichem Ton: »Im Bett ist er der absolute
    Wahnsinn!«
    Mattie lächelte höflich. Das interessierte sie nun etwa genauso
    brennend wie die Tatsache, dass die blonde Tracey sich mit einem E vor dem Y schrieb.
    »Entschuldige mich einen Moment , Steph. Ich bin gleich wieder da« , sagte sie und stand auf.
    »Geht’s dir nicht gut?« , rief Stephanie ihr gedämpft nach.
    »Doch , doch. Alles in Ordnung.«
    »Soll ich mitkommen?«
    Mattie winkte ab. Aber Stephanie hatte sich ohnehin schon wieder
    ihrem Herzblatt zugewandt und drückte ihm , mit einem Arm seinen Hals umschlingend, ihren großen Busen in die Seite. Alle haben Sex, nur ich nicht, dachte Mattie und trat in die feudalen Toilettenräume neben der Bar.
    Was dachte sich Stephanie eigentlich dabei? Wie konnte sie so
    schamlos sein? So ordinär! Sie hatte zwei zehnjährige Kinder, Herrgott noch mal! Wie die sich wohl fühlen würden, wenn sie wüssten, dass ihre Mutter sich total lächerlich machte, indem sie sich einem Kerl an den Hals warf, der zehn Jahre jünger war als sie, und sich vor aller Augen von ihm betatschen ließ? Besaß sie denn überhaupt keinen Stolz? Keine Selbstachtung? Keinen Anstand? Ihr musste doch klar sein, dass eine Beziehung zwischen so ungleichen Partnern auf die Dauer niemals halten würde.
    Na und?, dachte Mattie. Sie und Jake waren im gleichen Alter, hatten die gleiche Hautfarbe, kamen aus den gleichen Verhältnissen – und hatte es gehalten? »Nichts als Eifersucht«, sagte Mattie zu ihrem Spiegelbild , das prompt beschämt den Kopf hängen ließ. Was würde sie nicht für die Gelegenheit geben, sich einem jungen Liebhaber an den Hals zu werfen, seine Samthaut an ihrem Körper zu spüren, sich vor den Augen ihrer
    neidischen Freundinnen nach Herzenslust von ihm betatschen zu lassen!
    Jedem sein Herzblatt , dachte sie wieder und nahm ihren Lippenstift heraus, um noch einmal Farbe nachzulegen, obwohl das gar nicht nötig war. Aber der Lippenstift sprang ihr plötzlich aus den Fingern und
    schoss über ihre Wange, wo er eine blasse rote Spur hinterließ , die aussah wie ein Blutspritzer.
    »Scheiße!« Mattie griff in ihre Handtasche , um ein Papiertuch herauszuholen , und konnte nur hilflos zusehen , wie ihr die Tasche entglitt und der gesamte Inhalt sich auf den schwarz-weißen
    Fliesenboden ergoss. Ganz langsam ließ sie sich auf die Knie hinunter und begann, die

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