Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
Vom Netzwerk:
keine Spur von ihm
    geblieben. Ein phantastischer Trick, all der Jubelrufe würdig, mit denen er gepriesen wurde, aber vorbei, ehe man es sich versah, ehe man nach raffinierten Täuschungen und doppelten Böden suchen konnte. Man
    mochte ooh und aah schreien, so viel man wollte – am Ende war da gar nichts.
    War das wirklich das, was sie wollte? Wollte sie so das letzte Jahr ihres Lebens verbringen?
    Darum liebte sie die Kunst, das wurde ihr in diesem Moment klar.
    Weil sie präzise war, dauerhaft , genau , geordnet. Selbst das unmöglichste Gekrakel war im Allgemeinen vorher bedacht worden. Das Leben
    hingegen war flüchtig, vergänglich, chaotisch. Es dachte überhaupt nicht daran, sich an eine Ordnung zu halten – im Gegenteil, es machte jede Ordnung nieder.
    Sie sah Roy Crawford an, den millionenschweren Selfmademan und
    ewigen Jüngling, der nackt neben ihr lag, keine Spur von Vortäuschung falscher Tatsachen. Ich bin was ich bin was ich bin was ich bin. Popeye als Plato. Die Einfachheit selbst. Wie angekündigt. Sie schloss die Augen.
    Wenn mehr in ihm steckte, wollte sie es nicht wissen.
    Der magische Moment war vorüber.
    Nach einigen Minuten sah Mattie auf die Uhr neben dem Bett. Schon
    zwölf nach neun. »Ich sollte langsam daran denken, nach Hause zu
    fahren« , sagte sie m Gedanken an die lange Taxifahrt , die sie vor sich hatte.
    Roy Crawford fuhr sich mit der Hand durch das volle weiße Haar. »Ja.
    Ich muss auch los.«
    Sie waren wie zwei Fremde, die nach einer Nacht wilder
    Ausschweifung nackt und mit einer diffusen Angst vor dem anderen
    nebeneinander erwachten, dachte Mattie, als sie Roy Crawford auf
    seinem Weg ins Badezimmer nachblickte.
    Gleich darauf hörte sie das Rauschen der Dusche. Sie griff nach ihren Kleidern und begann sich anzuziehen. Zum Duschen blieb noch Zeit
    genug zu Hause. Es war unwahrscheinlich, dass Jake sich vor
    Mitternacht blicken lassen würde.
    Sie nestelte immer noch an den Perlknöpfen ihrer grünen Seidenbluse, als Roy mit einem weißen Badetuch lässig um die Hüften aus der Dusche kam.
    »Probleme?«, fragte er.
    »Ich krieg die Knöpfe nicht zu.« Mattie versteckte ihre zitternden
    Hände auf dem Rücken.
    »Darf ich?« Seine Hände näherten sich ihr. Er zögerte, seine Finger schon fast an ihrer Brust. »Besser nicht«, sagte er schließlich und schloss sorgfältig einen Knopf nach dem anderen.
    »Danke«, sagte Mattie aufrichtig.
    »Es war mir ein Vergnügen.« Roy küsste sie sacht auf den Mund.
    »Danke«, sagte Mattie wieder.
    Roy Crawford sah sie erstaunt an. »Wofür?«
    »Dass du mir das Gefühl gegeben hast, ein Lustobjekt zu sein.« Sie lachten. »Es war mir ein Vergnügen« , sagte er ein zweites Mal und bückte sich nach seinen Socken. »Weißt du was? Ich würde mir die Ausstellung , von der dein Mann gestern Abend gesprochen hat , wirklich gern ansehen.« Er stieg in seine schwarze Hose , zog den blauen Pulli über seinen Kopf.
    »Das solltest du auch« , stimmte Mattie zu , die vor dem Spiegel stand und sich das Haar bürstete. »Es sind einige Aufnahmen darunter, die dir, denke ich, sehr gefallen werden.«
    »Ich ruf dich an. Dann machen wir was aus.«
    »Klingt gut.«
    »Gut«, wiederholte er.
    »Gut«, sagte sie.
    19

    »Komm rein. Beeil dich!« Kim schob Teddy Cranston hastig ins Haus
    und warf einen ängstlichen Blick die dunkle stille Straße hinunter , wo neugierige Nachbarn lauern konnten. Dabei tat sie ja eigentlich gar nichts Verbotenes, wenn man es ganz genau nahm. Sie hatte Hausarrest. Das
    hieß, sie durfte nicht außer Haus gehen. Aber es hieß nicht, dass sie niemanden zu sich einladen durfte. Außerdem waren ihre Eltern beide
    nicht da, was spielte es da schon für eine Rolle, wenn jemand zu ihr kam!
    Hauptsache , sie erfuhren nichts davon. Irgendwann im Lauf des Abends würden sie , ihre Mutter oder ihr Vater oder vielleicht auch beide , zu Hause anrufen, um zu prüfen, ob sie da war, und sie würde für sie bereit sein. So wie sie für Teddy bereit war. Heute Nacht oder nie, hatte sie am Telefon zu ihm gesagt. Entweder du schwingst dich innerhalb der
    nächsten halben Stunde zu mir rüber, oder du hast deine Chance
    verpasst. Genau neunundzwanzig Minuten später hatte er bei ihr
    geklingelt.
    »Mein Zimmer ist oben.« Kim ging ihm voraus. Wozu die Zeit mit
    langen Vorbereitungen vertun? Das hatten sie monatelang praktiziert.
    Jetzt hatten sie zwei Stunden Zeit, um die Sache zu erledigen.
    »Schönes Haus«, bemerkte Teddy, als er

Weitere Kostenlose Bücher