Zähme mich!: Erotischer Roman (German Edition)
Lebenszeichen ihres Vaters – oder vielmehr deren Ausbleiben – festgestellt und den Todeszeitpunkt aufgeschrieben. Dann hatten sie ihn gewaschen und vorbereitet, als sollte er ein Sakrament erhalten. Als sie fertig waren, zog ihm Geoffrey die Decke über die Brust und steckte sie fest, als wäre er ein Vater, der seinen Sohn ins Bett brachte. Er hatte das Gesicht ihres Vaters nicht zugedeckt, sondern ihn so liegen lassen, dass es aussah, als würde er schlafen.
Bree hatte das ganze Ritual beobachtet, als ob es seinen Tod irgendwie bestätigen würde.
Nachdem sie die beiden Pfleger zur Tür gebracht hatte, stand Bree im Türrahmen des Schlafzimmers ihrer Eltern, das jetzt nicht mehr ihren Eltern, sondern nur noch ihrer Mom gehörte, und betrachtete den toten Mann im Krankenhausbett, als hätte sie Angst, dass er gleich wieder aufstehen würde. Konnte der alte Scheißkerl wirklich tot sein? Sie hörte die Stimme ihrer Mutter, die mit dem Beerdigungsinstitut telefonierte, das ihn abholen sollte, als wäre er ein Paket, das weggeschickt werden musste.
Er war fort. Es war seltsam. Bree wusste nicht, was sie jetzt tun sollte.
Sie konnte nicht näher herangehen und ihn ansehen. Sie konnte nur in der Tür stehen bleiben und zuschauen, wie das Sonnenlicht auf das Bett fiel, in dem die Leiche lag.
»Ich koche uns einen Kaffee, Bree«, rief ihre Mutter, als ob da kein toter Mann in ihrem Schlafzimmer liegen würde.
Bree konnte ihre Arme, ihre Beine, ihre Lippen nicht mehr spüren. Er war fort, er war wirklich fort. Sie wollte sich frei fühlen, aber sie fühlte sich nur … taub. Nicht real.
»Bree?«
Die Stimme ihrer Mutter, die auf einmal ganz nahe war, erschreckte sie. Brees Herz raste.
»Kaffee?«, fragte ihre Mutter erneut.
»Ja, gern. Danke!«
Musste man Kaffee trinken, nachdem der eigene Vater gestorben war? Vielleicht musste man auch weinen. Kaffee schien so … normal zu sein.
Sie musste eine Weile dagestanden und seinen reglosen Körper angestarrt haben, denn irgendwann hörte sie den pfeifenden Wasserkessel. Ihre Mom kochte Instantkaffee. Bree riss sich los und ging rückwärts in Richtung Küche, als hätte sie Angst, dass er ihr folgen könnte.
»Möchtest du einen Schokokeks zum Kaffee?« Ihre Mutter streckte ihr die Keksdose in Bärenform entgegen, die ihr Bree letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. Sie liebte Keksdosen in lustigen Formen. Brees Vater hatte jedoch immer nur erlaubt, eine einzige aufzustellen, weil die Küche seiner Meinung nach unordentlich aussah, wenn sie alle hinstellte. Außerdem hatte er die Nase gerümpft, dass ihre Sammlung im Schrank so viel Platz einnahm.
Anstatt sich einen Keks zu nehmen, überlegte Bree, welche Dosenform sie ihrer Mutter zum Geburtstag schenken sollte.
War es das , was Menschen nach einem Todesfall taten? So tun, als wäre nichts geschehen, das nächste Geburtstagsgeschenk planen? Was tat man denn wirklich? Lag man einander weinend in den Armen? Schwelgte man in wunderschönen Erinnerungen? Machte man Frühstück? Trank man Kaffee, aß einen Toast und tat so, als gäbe es diese wunderschönen Erinnerungen?
»Ich hätte lieber einen Toast mit Marmelade«, sagte Bree.
Ihre Mutter schlug sich vor die Stirn. »Ich Dummerchen, natürlich. Wir haben ja noch nicht mal gefrühstückt. Ich mache Toast.«
»Kann ich auch einen Saft haben?«
»Natürlich, Schätzchen.«
Bree goss ihnen beiden ein Glas Saft ein, während ihre Mutter zwei Brotscheiben in den Toaster steckte.
»Sie haben gesagt, dass es ein paar Stunden dauern kann«, meinte ihre Mutter dann.
Bree erstarrte. Mehrere Stunden mit seiner Leiche im Haus? Das war seltsam. Es war gruselig. Sie konnte es nicht ertragen.
»Ich habe mich gefragt, ob du wohl einige Dinge erledigen könntest«, fügte ihre Mutter fast schon beiläufig hinzu. »Wir haben fast keine Milch mehr. Und keine Haferflocken. Ich schreibe dir einen Einkaufszettel.«
Brees Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen und nicht aus ihrem eigenen Körper. »Kein Problem. Ich gehe heute Nachmittag einkaufen.«
»Oh nein, du kannst auch gleich gehen, wenn wir gefrühstückt haben.« Ihre Mutter lächelte sie äußerst merkwürdig an und holte die Marmelade aus dem Kühlschrank.
Bree starrte sie an. Hatte sie jetzt weniger Falten um die Augen, als hätte man ihr auf einmal eine schwere Bürde genommen? Waren ihre Schultern nicht mehr so eingesunken? »Soll ich nicht wenigstens bleiben, bis …«
Sie wusste nicht, wie sie es
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