Zaehme mich
Skifahren gelernt, Französisch gelernt, mit meiner Familie eine Reise durch Nordamerika und Westeuropa gemacht, erlebt, wie meine Mutter an Brustkrebs starb, bin nach Kempsey gezogen, habe ein Hilfsprojekt für benachteiligte Jugendliche gegründet, einen Gemeindepreis gewonnen, meinen fünfundzwanzigsten Hochzeitstag gefeiert, angefangen zu joggen, kochen gelernt, mich scheiden lassen, bin nach Sydney gezogen, habe eine Stelle an einem angesehenen Jungencollege ergattert, nach der Frau gesucht, an die ich in den letzten acht Jahren jeden Tag gedacht habe, die Frau gefunden, ihr gegenübergesessen und Scotch getrunken. Ende.«
Sarah merkte, dass sie die Luft angehalten hatte. Sie starrte auf den Tisch und atmete einige Sekunden lang tief durch.
Sie konnte sich nicht überwinden, ihm ins Gesicht zu sehen.
»Jetzt bist du dran.«
Sarah hielt den Blick auf den Teller gesenkt. »Schule, Arbeit als Kellnerin, Uni, nirgends gewesen. Langweilig.«
»Hmm, und nichts von irgendwelchen Liebhabern. In all den Jahren – immerhin deine Teenagerzeit – hat es keine Romanzen gegeben, keine Beziehungen?«
»Nichts, was der Rede wert wäre. Mein Essen ist kalt.« Sie schob den Teller von sich und schaute sich nach einem Aschenbecher um.
»Hier kannst du nicht rauchen, Sarah.«
»Ich weiß. Siehst du mich etwa rauchen?«
»Ich sehe, dass du nach einem Aschenbecher suchst, und du zappelst herum wie eine echte Süchtige.«
Sarah erstarrte, als sie merkte, dass sie wirklich unruhig die Schultern hin und her geschoben hatte.
»Ich liebe es, wie du dich bewegst. Ich glaube, ich bringe dich immer in Lokale mit Rauchverbot, dann kann ich zuschauen, wie du dich windest.« Er lächelte sie mit dünnen Lippen an, und sie musste sich die Hände auf die Knie legen, damit sie nicht mehr auf und ab flatterten. Beide Hände flach auf dem Tisch beugte er sich vor. »Jetzt habe ich dich verlegen gemacht.«
»Nein, stimmt gar nicht.«
Er lehnte sich noch weiter vor. »Dein Gesicht ist ganz rot.«
Sarah legte sich eine Hand an die Wange. Sie glühte.
»Es ist heiß hier drin.«
Er rutschte noch näher bis er fast nicht mehr auf dem Stuhl saß, und nahm ihr Kinn in beide Hände. »So eine Gesichtsfarbe wie jetzt kriegst du immer, wenn du einen Orgasmus hast, und dein Hals wird genauso rot.«
Sarah spürte Schweißtropfen an den Schläfen. Sie versuchte, sich eine witzige oder bissige Bemerkung auszudenken, doch alles, was ihr einfiel, war: Ich werde nie rot, weder im Bett noch sonst wo. Selbst als sie in der zehnten Klasse das Querfeldeinrennen gewonnen hatte, war ihr Gesicht nicht rot gewesen. Sie sei blutarm, hatte Jamie damals gesagt und es erst letzte Woche wiederholt, nachdem sie sich in ihrer stickigen Wohnung bei geschlossenen Fenstern stundenlang geliebt hatten.
Sarah versuchte, dem Blick seiner grünen, grünen Augen auszuweichen, doch er hielt ihren Kopf in festem Griff, und sie fühlte sich nicht in der Lage, sich mit einem heftigen Ruck loszureißen. Sie fühlte sich zu gar nichts in der Lage. Sie starrte ihm nur stumm in die Augen und spürte, wie sich die Hitze von seinen Fingerspitzen über ihr Kinn hinauf zu den Wangen, der Nase und der Stirn und hinunter über Hals und Brust ausbreitete.
»Wo arbeitest du?« Daniel ließ ihr Kinn los und lehnte sich wieder zurück.
»Im Western Steakhouse. Dieser schmierige Schuppen auf der anderen Seite des Flusses.« Sie redete, als wäre es eine ganz alltägliche Unterhaltung.
»Klingt ja reizend. Und wie lange machst du das schon?«
»Seit ich von zu Hause fort bin.«
»Und wann war das?«
»Vor ungefähr sechs Jahren.«
»Da warst du doch noch nicht mal mit der Schule fertig.« Er sah sie stirnrunzelnd an. »Warum bist du von zu Hause weg?«
Vor dieser Frage fürchtete sich Sarah selbst unter normalen Umständen, und das hier waren keine normalen Umstände. Meistens log sie, doch bei ihm konnte sie das nicht. Andererseits, wenn sie ihm die Wahrheit sagte, würde er sie bemitleiden, und dieser Gedanke war ihr unerträglich. »Das ist eine Wahnsinnsgeschichte. Die heben wir uns lieber für später auf.« Sie lächelte wie aus Freude auf einen besonderen Leckerbissen.
Daniel nickte, wirkte aber verärgert. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, fragte sie ihn nach dem Französischunterricht, den er genommen hatte. Sie stellte die Frage auf Französisch und wurde mit einem strahlenden Lächeln belohnt. Er war entzückt, und sie war geblendet von seinem Entzücken. Um diese
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