Zaertlich beginnt die Nacht
nahm mich zu sich, als meine Eltern starben, und dafür werde ich ihm immer dankbar sein. Ich war noch sehr klein, und meine Eltern hatten mir kein Geld hinterlassen. Mein Vater hatte nämlich eine Frau geheiratet, die Großvater nicht akzeptieren konnte, und …“
„Und“, Nicolo hatte Schwierigkeiten, den jähen Ärger zu unterdrücken, „so hat er sein Bestes getan, um deinen Vater dafür bezahlen zu lassen, ohne Rücksicht darauf, was er damit deiner Mutter antat.“
Früher hätte es eine Zeit gegeben, da wäre Aimee sofort zur Verteidigung ihres Großvaters angetreten. Da hätte sie gesagt, dass James nur das getan hatte, was er für richtig hielt. Doch jetzt hatte sie einen Mann geheiratet, der ebenfalls das tat, was er für richtig hielt, und das wiederum hatte nichts zu tun mit dem, was er selbst wollte, sondern was er für andere wollte.
Für sie und für ihr ungeborenes Kind.
„Ja“, stimmte sie zu, „andere waren ihm immer egal. Aber meine Eltern waren glücklich miteinander. Sie vergötterten einander, und sie vergötterten mich. Ich habe sie so sehr geliebt, und dann … Als sie starben, nahm Großvater mich bei sich auf.“ Sie lachte so traurig, dass es Nicolo fast das Herz brach. „Da saß der gute James nun, hatte ein Kind am Hals von einer Frau, die er nie anerkannt hatte. Und zu allem Unglück auch noch ein Mädchen.“
„Ich bin sicher, er hat sich keine Mühe gegeben, seine Enttäuschung zu verbergen.“ Nicolos Stimme klang harsch.
„Ich wollte einfach nicht das tun, was er sich vorstellte – die perfekte Frau für den perfekten Mann werden.“
„Einen Mann, den er aussuchen würde.“ Nicolo drehte sich mit ihr um, sodass sie unter ihm lag. „Ein Finanzgenie, ein Mann, führend in der Wirtschaft, mit Einfluss und Macht, aus alteingesessenem Geldadel.“
Aimee fuhr mit den Fingern durch sein wirres Haar. „Hast du etwa all die Unterhaltungen belauscht?“, fragte sie lächelnd.
„Ein Mann, der dich kontrollieren könnte. Weil es James nie gelungen war.“
Ihr Lächeln verschwand. Nicolo begriff wirklich schnell. „Ja.“
„Und der Stafford-Coleridge-Black mehr lieben würde als dich.“
Aimee wollte den Kopf abwenden, doch Nicolo hielt ihr Gesicht mit beiden Händen und sah sie mit funkelnden Augen an.
„Und seine Vorstellungen sind ja auch erfüllt worden, nicht wahr?“, flüchtete sie sich in Spott. „Angefangen beim blauen Blut bis hin zum kompetenten Direktor für die Bank.“
Mit einem leidenschaftlichen Kuss brachte Nicolo sie zum Schweigen. „Ich habe dich geheiratet, nicht die Bank deines Großvaters.“
„Ist schon in Ordnung. Du brauchst nicht so zu tun, als ob …“
„Ich habe dich geheiratet, weil mein Kind in dir heranwächst. Und weil du eine schöne, starke und faszinierende Frau bist.“
„Bitte.“ Ihre Stimme bebte. „Du brauchst wirklich nicht zu lügen.“
„Keine Lügen, cara . Nicht jetzt, niemals. Glaubst du wirklich, ich hätte dich nur geheiratet, um diese verdammte Bank in die Finger zu kriegen?“
Noch während er die Worte aussprach, wusste er, dass es die volle Wahrheit war. Er hatte Aimee geheiratet, weil … weil …
Ja? Weil was?
„Morgen werde ich als Erstes deinen Großvater anrufen und ihm sagen, dass ich seine Bank nicht mehr will.“
„Aber du willst sie doch! Ich kann nicht zulassen, dass du das für mich tust.“
„Ich tue es für mich, cara . Weil ich …, weil ich glücklich bin.“ Das Lächeln seiner Frau brachte sein Herz zum Überfließen. „Ich bin sogar sehr glücklich, und das hat nicht das Geringste mit der Bank deines Großvaters zu tun.“ Er presste sich an sie, damit sie fühlen konnte, was ihre Nähe mit ihm anstellte. „Deshalb bin ich glücklich“, flüsterte er. „Mein Kind liegt sicher in deinem Leib, und du, anima mia , für immer in meinen Armen.“
„Was heißt das, anima mia ?“
Nicolo lächelte. „Es bedeutet, dass du meine Seele bist.“
Tränen schossen Aimee in die Augen. War es überhaupt möglich, so plötzlich von Verzweiflung zu Glück zu wechseln?
Die Antwort erhielt sie wenige Herzschläge später, als sie Nicolo tief in sich spürte. Ja, es war möglich.
„Nico“, hauchte sie, „oh Nico …“
Und dann waren für eine sehr lange Zeit nur das Plätschern des Regens und die Seufzer zweier Liebender zu hören.
12. KAPITEL
„Buon giorno, cara mia .“
Nicolos zärtliche Stimme war das Erste, was Aimee am Morgen vernahm. Er lag auf dem Bauch neben ihr und
Weitere Kostenlose Bücher