Zaertlich ist die Nacht
beschäftigt.
Später im Garten war sie glücklich; sie wollte gar nicht, dass etwas passierte, nur dass die Situation in der Schwebe blieb, dass die beiden Männer sie im Kopf hin und her warfen; sie hatte so lange Zeit nicht mehr so existiert, nicht mal als Spielball.
»Ist doch nett, Rabbits, oder nicht? Hey, Rabbits – hey, du! Ist es nicht nett? Hey? Oder findest du, dass es komisch klingt?«
Das Kaninchen, dessen Lebenserfahrung im Wesentlichen aus gar nichts anderem und Kohl bestand, stimmte ihr nach einigem unverbindlichen Nasenzucken schließlich zu.
Nicole erledigte ihre Gartenroutine. Die Blumen, die sie geschnitten hatte, hinterlegte sie an verschiedenen Orten, damit der Gärtner sie später ins Haus bringen konnte. Als sie an die Mauer kam, hinter der nur noch das Meer war, verfiel sie in eine kommunikative Stimmung, hatte aber |419| niemand zum Reden; sie hielt also inne und überlegte. Bei der Vorstellung, sie könnte sich für einen anderen Mann interessieren, war sie ein wenig schockiert. Aber andere Frauen haben doch auch Liebhaber – warum ich nicht? An diesem schönen Frühlingsmorgen schien es die alten Hemmungen vor der Männerwelt nicht mehr zu geben, und sie fantasierte so vergnügt wie eine Blume, während der Wind so lange an ihrem Haar zerrte, bis ihr Kopf sich gleich mit bewegte. Andere Frauen haben doch auch Liebhaber … Dieselben Kräfte, die sie letzte Nacht dazu getrieben hatten, Dick bereitwillig fast bis in den Tod zu folgen, brachten sie jetzt dazu, glücklich im Wind mit dem Kopf zu nicken – völlig zufrieden mit der Logik des: Warum nicht?
Sie setzte sich auf die niedrige Mauer und schaute aufs Meer hinunter. Dabei hatte sie aus dem weit größeren Meer der Fantasie längst etwas ganz Greifbares herausgefischt und neben ihr restliches Raubgut gelegt: Wenn sie nicht immer eins sein konnte mit Dick, weil er manchmal so war wie gestern Nacht, dann musste sie etwas mehr sein als nur ein kleines Bildchen in seinem Kopf, das dazu verdammt war, im Umkreis eines Medaillons bleiben zu müssen.
Nicole hatte gerade diesen Teil der Mauer gewählt, um sich hinzusetzen, weil er an ein steiles Feld grenzte, auf dem Gemüse angebaut wurde. Durch die Zweige der Sträucher hindurch sah sie zwei Landarbeiter mit Rechen und Spaten, die sich im Kontrapunkt von Niçois und Provençal unterhielten. Angezogen von ihren Worten und Gesten, begann sie zu lauschen.
»Hier hab ich sie hingelegt.«
»Ich hab sie hier hinter den Ranken genommen.«
»Ihr ist es egal – und ihm genauso. Es war dieser verdammte Hund. Nun ja, hier hab ich sie hingelegt –«
|420| »Hast du den Rechen?«
»Den hast du doch selber, du Trottel.«
»Also, mir ist es egal, wo du sie hingelegt hast. Bis zu jener Nacht hatte ich seit meiner Hochzeit vor zwölf Jahren keinen Frauenbusen mehr an meiner Brust gespürt – und jetzt erzählst du mir –«
»Aber hör mal, dieser Hund –«
Nicole beobachtete sie durch die Zweige; es schien in Ordnung, was die Männer sagten – für den einen war dieses gut, für den anderen jenes. Dennoch war es eine Männerwelt, die sie belauscht hatte. Als sie zum Haus zurückging, kamen ihr wieder Zweifel.
Dick und Tommy saßen auf der Terrasse. Sie ging zwischen ihnen hindurch, holte einen Zeichenblock aus dem Haus und begann Tommys Kopf zu skizzieren.
»Ihre Hände sind niemals müßig – immer dreht sich das Spinnrad«, sagte Dick leichthin. Wie konnte er nur so trivial daherreden, wo seine Wangen noch immer so blutleer waren, dass die rostigen Bartstoppeln so rot wie seine Augen schimmerten?
Sie wandte sich Tommy zu. »Ich bin nun mal gern in Bewegung. Ich hatte mal ein hübsches polynesisches Äffchen, mit dem konnte ich stundenlang spielen, bis die Leute begannen, die übelsten Witze zu machen –«
Sie wandte ihren Blick konsequent von Dick ab. Alsbald entschuldigte er sich und ging ins Haus – sie sah, wie er sich zwei Gläser Wasser einschenkte, und verhärtete sich noch weiter.
»Nicole –«, setzte Tommy an, musste sich aber unterbrechen, weil seine Kehle so rau war.
»Ich werde dir eine Kampfersalbe 1* holen«, sagte sie. |421| »Kommt aus Amerika – Dick schwört darauf. Ich bin gleich wieder da.«
»Ich muss wirklich gehen.«
Dick kam wieder heraus und setzte sich. »Worauf schwöre ich?«
Als Nicole mit dem Salbentöpfchen zurückkam, hatte sich keiner der Männer bewegt; dennoch hatte sie das Gefühl, dass es
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